07. Mai 2019

Kriegsende


Die Sonderausstellung "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution" ist seit einer Woche zu Ende und wird nun wieder abgebaut. Das als Mahnmal gegen den Krieg ausgestellte Massengrab von der Schlacht bei Lützen, 1632, aus dem Dreißigjährigen Krieg stellt dabei die größte logistische Herausforderung dar. Es wird wieder in die ursprünglichen zwei Blöcke geteilt, behutsam verpackt und durch die Museumsfenster mit mehreren Kränen transportiert...

Wir bedanken uns für die Kooperation mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte Halle /Saale, bei allen Leihgebern und Vortragenden und bei den engangierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des NHM Wien für die wissenschaftlichen Aufbereitung der historisch aufschlussreichen Schau!


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24. April 2019

Von der Angst im Krieg


Geschichte, insbesondere die Kriegsgeschichte, war sehr lange Zeit die Darstellung von Gesamtereignissen sowie die Beschreibung der Taten von Führungspersönlichkeiten.  Formulierungen wie die folgenden Zitate tauchen in der Literatur relativ oft auf und scheinen zu bestätigen, dass es Einzelpersonen waren, die die Geschicke ganzer Städte und Landstriche beeinflussten: Deswegen besetzte sie der kaiserliche Hauptmann Bartlmä von Pernegg, mußte sie aber bald räumen und zündete die Stadt [Friedau / Ormož] beim Abzug an.  Oder: Nach der vergeblichen Belagerung von Güns [Köszeg] zog Sultan Suleiman über Gleisdorf gegen Graz, wandte sich aber, da ein Angriff auf die Stadt misslang, gegen Marburg, das er sogleich umschloß.  Es wäre doch spannend, hätte man zusehen können, wie eine einzelne Adelsperson 1487 eine ganze Stadt besetzte oder ein Sultan 1532 die Stadt Marburg (Maribor) alleine umzingelte. Nicht uninteressant auch, wie Ort und Schloss Großsonntag (Velika Nelelja) von Friedrich III. von Pettau gegründet wurde, nachdem dieser am Ostersonntag 1199 die Ungarn besiegt hatte. Selbstverständlich wird jedem logisch Denkenden klar sein, dass die in hellem Licht erscheinenden Erfolge von Herrschern und Heerführern ohne deren Söldner, Soldaten und Aufgebotsleuten, die die Waffen führten und Leib und Leben riskierten, nicht möglich gewesen wären. Besonders die ältere Historiographie des 19. Jahrhunderts verschweigt die Schicksale der in zahlenmäßig starken Verbänden zusammengeschlossenen Einzelkämpfer mehr oder minder geflissentlich.

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Zudem werden in der Literatur nur selten Verletzungen, die Teilnehmer an Schlachten erlitten, erwähnt, selbst wenn solche quellenmäßig gut belegbar sind. Und noch seltener erfährt man von den Ängsten jener Menschen, die (in vielen Fällen gezwungenermaßen) Kriegsdienste für Kaiser, Könige, Herzoge oder Länder leisteten – also vom Heroentum weit entfernt waren. Umso erschütternder lesen sich die spärlichen Berichte, die beispielsweise darlegen, wie sich angesichts der Gegner vor Angst erstarrte Verbände widerstandslos die Köpfe abschlagen ließen, (St. Gotthard / Mogersdorf 1664), in einer Festung eingeschlossene Haramien um ihr Leben bettelten (Sissek 1593), zwangsrekrutierte Musketiere angesichts ihrer massakrierten Kameraden desertierten (Lobositz 1756) oder ganze Dörfer unter Gewaltanwendung zur Huldigung gezwungen wurden (Laafeld 1640). Natürlich sind hier nur ausgewählte Ereignisse erwähnt, doch ließe sich die Aufzählung fortsetzen, sofern die Quellenlage dazu (Autobiographien, Aktenstücke in Archiven) explizit zum Thema „Angst im Krieg“ durchforstet wird.

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Text und Bilder: Leopold Toifl, Universalmuseum Joanneum Graz
Vortrag "Von der Angst im Krieg", am 24. April 2018 um 18:30 Uhr im NHM Wien.
29. März 2019

Totenstille


Totenstille umgibt menschliche Überreste, sobald sie ans Tageslicht kommen. Vor allem Anthropologinnen und Anthropologen jedoch verleihen den Lebensumständen dieser Verstorbenen wieder Aussagekraft und Bedeutung.

Voraussetzung für die wachsende Lernfähigkeit war in der Entwicklung bis hin zum Homo sapiens das immer größere Gehirn. Immer komplexer werdende Werkzeuge ermöglichten das Erlegen von Tieren und sehr viel später den Ackerbau und die Viehzucht. Dies machte das menschliche Gedeihen in neuen Ökosystemen und unter gänzlich neuen Bedingungen möglich. Ohne Bevölkerungswachstum und auch Auseinandersetzungen mit anderen Gruppen war dies jedoch kaum möglich. Unsere großen Gehirne begünstigten unser Überleben durch das Hintergehen, aber auch das Verbünden mit anderen Menschen.

Die große Lernfähigkeit und schöpferische Kraft brachte in zunehmendem Maß auch tödliche Waffen hervor, sodass die bio-kulturelle Evolution des Menschen eine Evolution des Krieges beinhaltet. Evolution, auch im kulturellen Sinne, heißt eben nicht (unbedingt) Progression und Verbesserung, sondern höhere Komplexität. Aber in der Entwicklung der Technologien, die für das Überleben der Menschen seit mehreren hunderttausenden Jahren unumgänglich ist und immer wichtiger wird, waren auch Werkzeuge betroffen, die töten. Zuerst Wild, dann Gegner. Vorerst im Einzelfall, dann in ganzen Gruppen. Auf immer effizientere Art. Diese Entwicklung vom Werkzeug zur Waffe, vom „Helden“ zum „Kanonenfutter“ ist in der Ausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ gut zu sehen.
 

Veranstaltungstipp:

„Totenstille“
Eine Führung durch die Ausstellung mit Anthropologin Sabine Eggers
Mittwoch, 3. April 2019, 17:00 Uhr

In der Führung werden Spuren zwischenmenschlicher Gewalt am Skelett unter die Lupe genommen. Anhand einiger Beispiele aus der Ausstellung können auch Vergleiche zu anderen Kulturen gezogen werden. Dies betrifft vor allem prähistorische Kulturen Südamerikas. Welche Bedeutungen und Gegensätzlichkeiten hat Gewalt in den unterschiedlichen Kulturen? Die Führung bietet auch ein Diskussionsforum!
 

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Skelettreste über die Jahrhunderte in der Ausstellung
"Krieg. Auf den Spuren einer Evolution"
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19. März 2019

Die Heimat als Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges


Der Erste Weltkrieg hat Massengräber von nie gekannten Ausmaßen hinterlassen. Für die Habsburgermonarchie lagen die meisten wohl in den Randbereichen Österreich-Ungarns, doch sie erzählen noch heute davon, wie die Heimat Kriegsgebiet werden konnte. Überall hat der Krieg Spuren hinterlassen, in Galizien genauso wie in Siebenbürgen, auf dem Balkan, am Isonzo und in den Dolomiten. Sie erinnern aber nicht nur an die militärischen Ereignisse. Auch Flucht, Vertreibung und Kriegsgefangenschaft haben bleibende Spuren hinterlassen. Das kollektive Gedächtnis vergisst nichts und speichert auch Schmerzen.

Was anfangs, 1914,  als Erlösung durch den Krieg verstanden wurde, entwickelte sich innerhalb von Tagen und Wochen zu einem industriell geführten weltweiten Konflikt. Während aber Soldaten wie Offiziere aller kriegführenden Armeen in privaten Aufzeichnungen und Korrespondenzen ihre Eindrücke und ihr Entsetzen in Worte zu fassen suchten, war dieser Krieg für viele Mediziner eine Art forschungsrelevantes Ereignis, das dazu diente, die Wissenschaft durch neue Erkenntnisse voranzutreiben. Hier tat sich ein merkwürdiger Gegensatz auf, der nach dem Krieg sogar in einem gegen Julius Wagner-Jauregg angestrebten Verfahren der Kommission zur Untersuchung militärischer Pflichtverletzungen im Krieg seinen Ausdruck finden sollte.

Natürlich kann man an den Ersten Weltkrieg genauso wie an frühere Konflikte mit anthropologischen Fragestellungen herangehen. Nach dem Krieg und teilweise bis in die Gegenwart sind aber die mentalen Auswirkungen mit einer weit größeren Dringlichkeit forschungsrelevant geworden. Dass sich dabei auch eine Vielzahl von Wissenschaftlern, die ihre Untersuchungen unter dem Prätext der Carnegie-Foundation angestellt haben und nach Voraussetzungen und Folgen von Friedlosigkeit suchen wollten, in einem unendlichen Gewirr von Daten erschöpft haben, relativierte zu einem Teil ihre Arbeiten und ließ sie in Statistikbänden verkommen.

Manfried Rauchensteiner hat vor wenigen Jahren in einem in mehrere Sprachen übersetzten umfangreichen Werk über Österreich-Ungarn und den Ersten Weltkrieg die Auswirkungen dieses Kriegs auf Politik und Gesellschaft Mitteleuropas untersucht. Einzelne Fragen  verdienen es aber, weiter erforscht zu werden, um vor allem die menschliche Dimension herauszuarbeiten. Dabei wird  deutlich, dass der Erste Weltkrieg nicht nur wegen seiner politischen Vorgänge und vor allem seinen Folgen ein Ereignis sui generis gewesen ist. Er ist denn auch nur bedingt als etwas zu sehen, das erst mit dem Zweiten Weltkrieg seinen Abschluss gefunden hat und damit eine  Art dreißigjährigen Krieg im Zwanzigsten Jahrhundert zur Folge hatte. Man hat ihn als den Krieg der Großväter bezeichnet. Letztlich hat es aber den Anschein, als würden Denkweisen und Konfliktsteuerungsmechanismen, die uns aus der Zeit vor dem ersten großen Krieg des 20. Jahrhundert bekannt sind, durchaus Entsprechungen in der Gegenwart finden.


Veranstaltungstipp:

Die Heimat als Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges
Mittwoch, 27. März 2019, 18:30 Uhr
Manfried Rauchensteiner (Universität Wien)

NHM Wien Vortrag
Gültige Eintrittskarte erforderlich.
Der Besuch des Vortrags ist frei.
keine Anmeldung erforderlich

 
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Ausstellung "Medizin im Ersten Weltkrieg" in der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm
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Ausstellung "Medizin im Ersten Weltkrieg" in der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm
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Ausstellung "Medizin im Ersten Weltkrieg" in der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm
26. Februar 2019

Das Massengrab von Lützen

Bei Lützen (D) wurde am 16. November 1632 die folgenschwerste Schlacht des Dreißigjährigen Krieges ausgetragen: Albrecht von Wallenstein und Gustav Adolf standen sich mit ihren Heeren gegenüber; der Schwedenkönig und weitere 6000 Soldaten verloren ihr Leben.
 
2011 wurde nahe der alten Land- und Heerstraße Via Regia ein Massengrab im Zentrum des Schlachtfeldes entdeckt. Der ungestörte und gut erhaltene Fund wurde in zwei Blöcken mit insgesamt 54 Tonnen Gewicht geborgen und im Labor mit modernsten Methoden untersucht. ArchäologInnen und AnthropologInnen legten in enger Zusammenarbeit die Skelette frei und entnahmen zahlreiche Proben, um Daten zu Lebensumständen und Todesursachen zu erheben. So erhielten die 47 Namenlosen, die in dem Massengrab vereint wurden, von einem Team um Anthropologin Nicole Nicklisch vom Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, ihre individuellen Geschichten zurück.
 
Skelette sind biohistorische Urkunden mit detaillierten Informationen über die Verstorbene. An ihnen konnten die WissenschafterInnen eine Vielzahl traumatischer, krankhafter Veränderungen nachweisen. Manche davon rührten von gewalttätigen Auseinandersetzungen, andere von den Lebensbedingungen der damaligen Zeit: „Bei einigen der Toten sind an den Knochen Hinweise auf Mangel- und Infektionskrankheiten erkennbar,“ erklärt Anthropologin Nicole Nicklisch. „Häufig sind Schmelzdefekte, oberflächliche Umbauvorgänge an den Langknochen oder siebartige Veränderungen am Hirn- und Gesichtsschädel zu beobachten,“ so die Forscherin. „Das deutet auf ungünstige Lebensbedingungen hin: das mangelhafte Nahrungsangebot, die schlechten Wohnverhältnisse und hygienischen Bedingungen.“ 
 
In ihrem Vortrag am Mittwoch, dem 27.2. um 18:30 Uhr, berichten Nicole Nicklisch und Susanne Friedrich vom Landesmuseum für Vorgeschichte von ihren Arbeiten am Massengrab von Lützen.
 
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11. Februar 2019

Archäologische Spurensuche


Die archäologische Erforschung des Phänomens „Krieg“ hat in den letzten 25 Jahren enorme Fortschritte gemacht: Schlachtfelder und Befestigungen wurden ausgegraben, Massengräber geborgen, unzählige Skelette mit Verletzungsspuren untersucht, Waffen sowie bildhafte Darstellungen und historische Texte analysiert – mit fundamentalem Erkenntnisgewinn.
Als besonders spannendes Fallbeispiel für die Konfliktarchäologie können die aktuellen Untersuchungen des Schlachtfeldes von Lützen (1632) zwischen Halle/Saale und Leipzig mitsamt einem dort im Erdblock geborgenen Massengrab mit 47 Toten gelten. Der hervorragend erhaltene und weltweit einzigartige Befund bietet dank modernster Untersuchungstechnik die einmalige Chance, jedem der namenlosen Toten wieder ein Gesicht und eine Identität zu geben. Anhand der mehreren Tausend Funde vom Schlachtfeld, vornehmlich Bleigeschosse, können die historisch überlieferten Angaben zum Schlachtgeschehen überprüft werden.

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Idealdarstellung eines bronzezeitlichen Kriegers (Copyright: LDA Sachsen-Anhalt, Zeichnung: K. Schauer)
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Feuersteinpfeilspitze in Wirbel steckend. Frauenbestattung von Eulau, Sachsen-Anhalt (3. Jahrtausend v. Chr.) (Copyright: LDA Sachsen-Anhalt, Foto: J. Lipták)
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Bronzezeitliches Felsbild von Tanum, Schweden (Copyright: LDA Sachsen-Anhalt, Foto: M. Schefzik)
Aber seit wann kennen wir überhaupt „Krieg“? Sind Aggression und Gewalt ureigenster Teil unseres Wesens? Spuren an menschlichen Skeletten alt- und mittelsteinzeitlicher Jäger und Sammler scheinen das zu belegen. Von wirklichen kriegerischen Auseinandersetzungen können wir jedoch erst ab der Jungsteinzeit sprechen, in der wir Menschen sesshaft wurden und uns an Land und Haus banden: die Bevölkerungsdichte nahm massiv zu, Grenzen bildeten sich, Besitz wurde angehäuft, Ressourcen knapp, Hierarchisierungen entstanden. Im Laufe der folgenden Jahrtausende bildete sich schließlich ein eigener Stand von Kriegern heraus. Kennzeichnend für diese Krieger sind eine spezialisierte Bewaffnung und ein besonderes Selbstverständnis, das sich u.a. in Statuen, Felsbildern und Grabinventaren widerspiegelt.

Der Gang durch die Anfänge des Krieges endet mit den spektakulären Überresten der ältesten bekannten Feldschlacht Mitteleuropas: Im mecklenburgischen Tollensetal schlugen sich in der Spätbronzezeit wohl mehrere tausend Krieger mit Holzkeulen, Pfeil und Bogen, Lanzen und Schwertern. Die Überreste der Schlacht blieben im feuchten Morast bis heute vorzüglich erhalten. (Text: Michael Schefzik)


Veranstaltungstipp:
Vortrag "Krieg - Eine archäologische Spurensuche"
Michael Schefzik (Landesmuseum für Vorgeschichte Halle)

Mittwoch, 13. Februar 2019, 18:30 Uhr in NHM Wien
29. Januar 2019

Krieg ausstellen. Eine museologische Annäherung


Leihgaben aus dem Landeszeughaus des Universalmuseums Joanneum in Graz ergänzen die Ausstellung im NHM Wien.
Historische Waffen wie Piken, Musketen oder Radschlosspistolen, aber auch Harnische und Kürisse veranschaulichen, wie im Dreißigjährigen Krieg gekämpft wurde.

Dies ist natürlich nur ein Bruchteil dessen, was sich in den Sammlungen des Grazer Landeszeughauses befindet, in dem das Thema Krieg auf intensive Art und Weise vermittelt wird.
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Viele Gäste des Landeszeughauses kommen ohne konkrete Erwartungshaltung an den Ort, der mehr oder weniger fixer Bestandteil eines touristischen Graz-Besuchs ist, und sind dann überwältigt: Einmal eingetreten, geraten die Besucherinnen und Besucher innerhalb kurzer Zeit in ein Staunen und Taumeln, aus dem sie sich dann über vier Etagen nur schwer befreien können. Warum ist das so? Das Zeughaus ist ein immersiver, stark vereinnahmender Stimmungs- und Atmosphärenraum. Was in kommerziellen Erlebniswelten planvoll inszeniert wird, findet sich im Zeughaus unbeabsichtigt umgesetzt: die Größe der Anlage, die Geschlossenheit der Räume, die mit dem Tages- und Jahreslauf korrespondierende Lichtsituation und Temperatur, die Materialität und Farbigkeit der massenhaft in Reih und Glied präsentierten Objekte, der Geruch des Holzes, das Knarren der Böden – all diese Elemente tragen dazu bei, dass das Publikum in den Raum eintaucht, sich im Durchschreiten der Etagen verliert und das Haus am Ende begeistert verlässt.
 
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Ansicht, 1. Obergeschoß, Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner
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Ansicht, 2. Obergeschoß, Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner
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Ansicht, 4. Obergeschoß, Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner
Das Landeszeughaus in Graz ist mit rund 32.000 Hieb- und Stangenwaffen, Rüstungen und Gewehren das größte historische Waffenlager der Welt. Hintergrund seiner Erbauung und einziger Inhalt der Anlage ist der Krieg, ein Umstand, der hinter ihrer beeindruckenden Erscheinung und Bedeutung als touristischer Ort allzu leicht verblasst. Das Ausstellen von Krieg bedeutete für einen Gutteil der Museumsgeschichte technische Dokumentation, Rechtfertigung und Sinngebung von militärischer Auseinandersetzung und patriotische Historisierung heldenhaften Kämpfe. Das Hungern und Sterben der Soldaten, das Leiden der Zivilbevölkerung, die langjährigen Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen hatten dabei keinen Platz.
 
In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten hat in Museen und weiteren Einrichtungen, die sich mit der Dokumentation und Vermittlung von Krieg beschäftigen, ein Umdenken stattgefunden und die Verantwortlichen diskutieren, wie sie mit dem Thema Krieg in einer zeitgemäßen Form umgehen können. Wie kann eine konstruktive Befassung mit der eigenen Institutionengeschichte erfolgen? Welcher gesellschaftlichen Funktion folgt die Präsentation? Wie kann der inhaltliche Zugang diversifiziert, was überhaupt erzählt werden? Wie geht man mit „sensiblen Objekten“ um? Wie soll man die eingeübte Sprache ersetzen bzw. erweitern? Wie kann mit einer inhaltlichen Öffnung Platz für die Gegenwart und ein Anschluss an die Wirklichkeiten der Menschen von heute gefunden werden?
 
 
Dr. Bettina Habsburg-Lothringen
Leiterin Abteilung Kulturgeschichte
Universalmuseum Joanneum


Veranstaltungstipp:
Vortrag "Krieg ausstellen. Eine museologische Annäherung"
am 30. Jänner 2019, 18:30 Uhr im NHM Wien
Bettina Habsburg-Lothringen

Gültige Eintrittskarte erforderlich.
Der Besuch des Vortrags ist frei.
Keine Anmeldung erforderlich

16. Januar 2019

Leben und Tod in den Napoleonischen Kriegen

 
Ein schöner Aspekt der Arbeit an menschlichen Skelettresten ist die große chronologische und geographische Bandbreite der Projekte an denen ich arbeiten kann. Im Gegensatz zu vielen Kollegen in der Archäologie müssen wir uns weder auf eine bestimmten Region noch auf eine Zeitperiode spezialisieren. Die Knochen unserer Art sind zumindest in den anatomischen Grundlagen völlig gleich, unabhängig aus welcher geographischen Region und welchem Zeitpunkt in der Geschichte von Homo sapiens. Daher fällt die Umstellung von der Bronzezeit in Arabien ins 19. Jahrhundert in Europa nicht schwer - jedenfalls methodisch, der körperliche Zustand der Bearbeiterin sei dahingestellt.
 
Ein Projekt, das mich seit 2009 begleitet, sind Skelette von Soldaten, die bei der Schlacht von Aspern im Nord-Osten Wiens im Jahre 1809 gefallen waren. In diesem bedeutenden historischen Ereignis erfuhr Napoleon im Mai 1809 seine erste große Niederlage in einer Landschlacht gegen die Habsburger Armee unter der Führung von Erzherzog Karl. Etwa 90 000 Mann auf österreichischer Seite standen lediglich 77 000 französischen Soldaten gegenüber. Schätzungen der Größe der beiden gegnerischen Armeen der Anzahl der Toten, die während der zweitägigen Schlacht ihren Tod fanden, liegen zwischen 6000 und 30 000 Franzosen und 4000 bis 24 000  Österreichern. Unumstritten ist jedoch, dass die Zahl der Toten und Verwundeten bei weitem jegliche Versorgungskapazitäten überschritten. Obwohl auch die lokale Bevölkerung zu Abtransport und Bestattung rekrutiert wurden, blieben viele Leichen noch bis Wochen nach der Schlacht auf dem Schlachtfeld liegen und wurden nur notdürftig dort, wo sie fielen, in einfachen Gruben verscharrt. Der grausige Anblick der Leichen hielt viele Wiener jedoch nicht davon ab, mit ihren Pferdekutschen aufs Schlachtfeld hinauszufahren, um die Überreste der Schlacht zu besichtigen.
 
Bereits wenige Jahrzehnte nach der Schlacht begann die weite, offene Fläche des Schlachtfeldes von Aspern nach und nach dem Expansionsdruck der Stadt Wien zu weichen, in deren Stadtgebiet das Dorf 1904 eingegliedert wurde. Zu den größten Bauprojekten zählte der erste Flughafen Wiens, der von 1912 bis 1977 in Betrieb war, die in den 1980er Jahren errichteten General Motors Werke und mit der 2009 begonnenen Seestadt Aspern eines der größten städtischen Wohnprojekte Europas. Dadurch wurden bereits ab Mitte des 20 Jahrhunderts neben zahlreichen ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen, beispielsweise eine Siedlung und ein Gräberfeld aus der Bronzezeit (ca. 1200 v. Chr.), auch immer wieder Massengräber der Schlacht von Aspern entdeckt. Die Skelette aus diesen Grabungen wurden jedoch nie systematisch untersucht.
 
Seit Beginn der Bauarbeiten zur Seestadt und der damit verbundenen Verlängerung der U2 werden die Baumaßnahmen von der Stadtarchäologie Wien begleitet. Diese heute dem Wien Museum angeschlossene Einrichtung unter der Leitung von Karin Fischer-Ausserer kümmert sich seit fast 100 Jahren um die archäologische Erforschung und Durchführung von Rettungsgrabungen im Zuge von Baumaßnahmen auf dem Wiener Stadtgebiet. Werden dabei menschliche Skelette gefunden, werden diese seit 2005 zumeist mir zu wissenschaftlichen Bearbeitung übergeben, da die Stadtarchäologie Wien selbst keinen Anthropologen beschäftigt - ein modus operandi wie er allgemein in der Archäologie hierzulande üblich ist.
 
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Daher beschäftige ich mich seit 2011 auch mit der Untersuchung der mittlerweile 35 Skelette, die nach und nach aus verschiedenen Gräbern am Schlachtfeld von Aspern geborgen werden konnten. Die archäologischen Zeugnisse bestätigen historische Beschreibungen, nach denen viele Gefallene an Ort und Stelle begraben wurden. Dass dies oft hastig und relativ sorglos ausfiel, zeigen zwei Massengräber, in die 10 bzw. 22 Männer übereinander, oft auch bäuchlings gelegt wurden. In anderen Gruben waren lediglich ein oder zwei Tote, doch auch hier fällt es schwer, von einem regelhaften Begräbnis zu sprechen. Auch zeigt sich, dass die überwiegende Mehrheit der Toten ihrer Uniformen und Ausrüstungen entledigt wurden, denn es fanden sich kaum Gegenstände in den Gräbern.

Bei lediglich zwei Männern waren Uniformknöpfe vorhanden. Die darauf geprägten  Regimentsnummern lassen eine Identifizierung als Angehörige der französischen Armee zu.

Die einzig wirklich häufige Kategorie an Funden in den Gräbern sind zahlreiche Kugeln aus Blei oder Eisen. Mitbegraben an den Körperstellen, an denen sie in eindrangen, zeugen die Geschosse vom oft grausamen Tod, den die größtenteils sehr jungen Männer in der Schlacht erlitten. Mehr jedoch als die - ohnehin augenscheinliche - Todesursache war es Ziel des Forschungsprojektes, die Lebensbedingungen der Soldaten während der Feldzüge näher zu beleuchten. Wie bereits mehrmals in dieser Beitragsreihe erwähnt, speichern unsere Knochen zahlreiche Informationen über Ernährungszustand, Krankheiten und Verletzungen zu Lebzeiten. So wurden auch die Skelette der Asperner Soldaten gemeinsam mit meiner Mitarbeiterin Leslie Quade (ÖAI bzw. mittlerweile an der Durham University, UK) systematisch auf Hinweise entsprechender Veränderungen untersucht. Wenn sich krankhafte Veränderungen auf das Skelett auswirken (dazu muss der Prozess mehrere Wochen bestehen), kommt es in der großen Mehrheit der beobachteten Fälle zu verschiedenen Formen von Knochenneubildungen, seltener auch Knochenabbau. Die Beschaffenheit dieses Knochens lässt Rückschlüsse darauf zu, ob die Krankheit zum Zeitpunkt des Todes aktiv oder verheilt war. So konnten beispielsweise an einem Viertel der Skelette deutliche Anzeichen von akuten chronischen Entzündungen im Bereich der Lunge, eventuell auch Tuberkulose festgestellt werden. Auch um die Zahngesundheit der Männer war es trotz des jungen Sterbealters ausgesprochen schlecht bestellt. Kaum ein Gebiss wies keine Abszesse, hochgradig von Karies zerfressene oder bereits ausgefallene Zähne auf. Auch die starken körperlichen Anstrengungen der Feldzüge spiegeln sich an den Skeletten wieder. Neben deutlichen, sehr früh auftretenden Abnutzungen der Gelenke litten vier Männer an sog. Marsch-Frakturen, Brüche der Mittelfußknochen die durch eine Überbelastung entstehen. In allen Fällen waren diese nicht vollständig verheilt, da an Ruhigstellung, wie man dies heute als Therapie durchführt, natürlich nicht zu denken war. Beim Gehen bereiteten diese den Soldaten mit hoher Wahrscheinlichkeit große Schmerzen.
 
Obwohl es sich bei den uns zur Verfügung stehenden Skeletten natürlich nur um eine sehr kleine Stichprobe handelt und die ungewisse Zugehörigkeit der Männer zu einer der beiden gegnerischen Armeen die Interpretation der Ergebnisse etwas einschränkt, erlauben sie doch einen kleinen Einblick in die Lebensbedingungen einfacher Soldaten. Die Knochen sprechen von Krankheiten, Anstrengungen und Schmerzen und zeigen, dass die Männer weit entfernt von der Höhe ihrer körperlichen Einsatzfähigkeit waren, als sie in die Schlacht zogen - eine Tatsache, die mit Sicherheit nicht nur auf die Zeit der Napoleonische Kriege zutrifft.

- Michaela Binder, Bioarchäologin
zu ihrem Vortrag am 16.01.2019 im NHM Wien
03. Januar 2019

30 Jahre Krieg – 1618 bis 1648

 
Krisenstimmung, Endzeiterwartung, Konfessionskampf – im Dreißigjährigen Krieg wurde um vieles zugleich gekämpft. Das Morden fand erst ein Ende, als alle Kräfte erschöpft waren.
Grundlegend für die Krise war eine im 16. Jahrhundert einsetzende Klimaveränderung, die „Kleine Eiszeit“. Sie brachte Europa lange, harte Winter, nasse Sommer und Missernten. Die Brotpreise stiegen; viele Menschen, nicht nur ausgebeutete Bauern, verloren ihre Existenz und waren gezwungen, zu betteln, um nicht zu verhungern. Die Unterernährung öffnete Seuchen Tür und Tor. Schuldige für das Elend wurden gesucht, „Hexen“ auf Scheiterhaufen verbrannt, Juden verfolgt und aus den Städten vertrieben. Gottes Zorn schien sich in „unabweisbaren Zeichen“ zu offenbaren. Die spektakulärste Erscheinung war ein Komet, der im Advent 1618 in ganz Mitteleuropa beobachtet und als unheilvolle Ankündigung des nahen Weltendes gedeutet wurde.
 
Ein Krieg wird zum „Weltenkrieg“
 
Der angebliche Glaubenskrieg wurde eigentlich um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, dem damaligen Herrschaftsbereich des römisch-deutschen Kaisers, geführt. Anfänglich stand der Kaiser mit seinen katholischen Verbündeten gegen die protestantischen Fürsten, die ihre Machtansprüche behaupteten. Das katholische Frankreich, von Ländern der Spanischen und Österreichischen Habsburger umringt, bezahlte das protestantische Dänemark und Schweden, um den Kampf gegen die Habsburger aufrecht zu halten. Schweden wollte die Ostseeküste beherrschen. Spanien musste seinen Anspruch auf die Niederlande verteidigen und seinen Verwandten, den Kaiser in Wien, unterstützen. Englische und holländische Kriegsschiffe jagten in der Karibik Silbertransporte aus spanischen Kolonien, um den Krieg in Europa zu finanzieren.

 
Die Schlacht bei Lützen
 
Am 16. November 1632 fand bei Lützen, etwa 20 km südwestlich von Leipzig (Deutschland), eine Schlacht von europäischer Tragweite statt. Ein etwa 19.000 Mann starkes schwedisches Heer unter König Gustav II. Adolf stand einem Aufgebot von mehr als 12.000 kaiserlichen Soldaten unter Generalissimus Albrecht v. Wallenstein gegenüber. Auf einer Breite von über 2 km standen sich mehr als 30.000 Soldaten des schwedischen und des kaiserlichen Heeres gegenüber, nur durch die Landstraße nach Lützen getrennt.
 
Aufgrund des Todes von General Gottfried Heinrich zu Pappenheim, setzte König Gustav II. Adolf alles auf eine Karte und führt persönlich einen Gegenangriff an der Spitze seiner Kavallerie. Dabei gerät er - kurzsichtig und in dichtem Pulverdampf -zwischen die Fronten und wird abgedrängt und von seiner Truppe getrennt.
Anhand der Einschüsse in seinem Waffenrock aus Elchleder (der korpulente König trug keinen Harnisch) lässt sich sein Schicksal mit kriminalistischer Genauigkeit rekonstruieren: Zuerst zerschmettert eine Pistolenkugel seinen linken Oberarm. Er kann sein Pferd nicht mehr lenken, es galoppiert in die Reihen der Gegner. Nach einem Schuss in den Rücken unterhalb des Schulterblatts, einem Degenstich in den Arm und einem Bauchschuss stürzt der König vom Pferd. Die kaiserlichen Panzerreiter erkennen ihn nicht, töten ihn mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe und plündern den Toten. Gustav Adolf, der den Tag als mächtigster König seiner Zeit begann, endet auf einem zertrampelten Feld, nackt bis auf sein Hemd.

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28. Dezember 2018

Vorboten des Krieges in der Jungsteinzeit

 
Mit Ackerbau, Viehzucht, Sesshaftigkeit hielten auch Gruppenkonflikte neuer Dimension Einzug in Europa. Schon bei den frühen Bauern um 5.000 v. Chr. kam es zu bewaffneten Konflikten. Die neue Lebensform der Sesshaftigkeit war an territoriales Eigentum gebunden, die Bevölkerungszahlen stiegen und erstmals sind in dieser Zeit auch soziale Unterschiede zwischen den Bewohnern eindeutig nachzuweisen. All dies bot den Nährboden für Gruppenstreit, der bei Missernten und Naturkatastrophen zu eskalieren drohte. Befestigte Siedlungen dokumentieren ein zunehmendes Schutzbedürfnis. 
 
Bis in die Jungsteinzeit verwendete man bei Gewaltkonflikten Werkzeuge und auch Jagdwaffen: Beile, Steinkeulen oder Pfeil und Bogen zum Beispiel. Der Beginn der Entwicklung reiner Kriegswaffen lässt sich indes nur schwer ausmachen. Insbesondere bei den Schutzwaffen ist zu vermuten, dass solche Waffen aus Holz und Leder oft nicht erhalten blieben und daher viel älter sind, als es die bislang bekannten Originale vermuten lassen.
 
Im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. stieg die Anzahl an wehrhaften Siedlungen in Höhenlage europaweit in verschiedenen Kulturen. Sie sind Indizien für Krisen, in denen die Bewohner und Bewohnerinnen gezwungen waren, sich gegen Feinde zu rüsten.
 
Massaker vor 7.000 Jahren: Die Toten von Schletz
 
Skelett-Teile von mindestens 50 Opfern eines Überfalls lagen im Befestigungsgraben eines Dorfes der frühen Jungsteinzeit bei Schletz (Niederösterreich). Fast alle Schädel weisen tödliche Verletzungen auf. Die Tatwaffen: Steinbeile oder Keulen. Auch Schussverletzungen von Pfeilen lassen sich identifizieren. Die vielen schweren Brüche an Schädel, Armen und Beinen zeugen von außerordentlicher Aggressivität – eine Auseinandersetzung, die einem Massaker gleicht.
 
Bislang sind nur wenige Fundplätze bekannt, die ein (organisiertes, kollektives) Konfliktgeschehen dieses Ausmaßes in einer prähistorischen Bevölkerung dokumentieren. Die Massaker von Asparn/Schletz und Talheim (Süddeutschland), Halberstadt-Sonntagsfeld sowie der jüngst vorgelegte Fund von Schöneck-Kilianstädten (Hessen, Deutschland) gelten als früheste und einzige, gesicherte Belege eines solchen Gewaltereignisses um 5.000 n. Chr.
 
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17. Dezember 2018

Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreißigjährigen Krieg


Im November 1618 erscheint am Himmel ein strahlend heller Komet, zu sehen im ganzen Heiligen Römischen Reich. Astronomen beobachten ihn durchs Teleskop, Pfarrer, Handwerker und Bauern mit bloßem Auge. Die Gelehrten sind fasziniert, aber niemand ist wirklich begeistert. Denn die meisten befürchten: Dieser Komet ist ein göttliches Zeichen, und zwar kein gutes. Seit Jahrhunderten ist schließlich bekannt, dass Schweifsterne Krieg, Hunger und Tod prophezeien, zur Warnung und Strafe. Doch ganz sicher ist sich andererseits niemand. Würde auch diesmal wieder großes Unheil heraufziehen? Wie ließ sich hier Gewissheit erlangen?
 
Die Antwort lautet: indem man Geschichte erzählt. Chronisten und Autobiographen berichteten vom Dreißigjährigen Krieg, um die Bedeutung des „Winterkometen“ zu klären. In der Rückschau war ihnen klar: Dieser Krieg hatte nicht mit dem Prager Fenstersturz im Mai 1618 begonnen, sondern mit dem Schweifstern am Himmel ein halbes Jahr später: mit dem Kometen, der den Krieg prophezeite.
 
Die Auseinandersetzung über die Bedeutung des Winterkometen lässt sich durch die gesamte Kriegszeit verfolgen. Sie zeigt, wie umfassend frühneuzeitliche Deutungen von Welt und Geschichte durch den religiösen Glauben geprägt waren. Die Zeichen göttlichen Zorns und göttlicher Gnade bestimmten das Geschehen auf Erden, Erscheinungen am Himmel machten den Verlauf des Krieges verständlich.
 
Der Vortrag wirft Schlaglichter auf den Dreißigjährigen Krieg aus der Perspektive derer, die in der Gewalt und Unübersichtlichkeit ihrer Zeit im Kometen von 1618 einen Orientierungspunkt suchten. Und nicht nur in diesem Kometen: Auch Nordlichter und Träume dienten als göttliche Zeichen. Das erzählt uns der elsässische Zinngießer Augustin Güntzer ebenso wie der schwäbische Schuhmacher Hans Heberle. Und das berichtet auch der Universalgelehrte Athanasius Kircher, der in einer nächtlichen Vision den Einmarsch der Schweden vorhergesehen haben will.


Veranstaltungstipp:
Vortrag "Himmelszeichen & Weltgeschehen im Dreißigjährigen Krieg"
Andreas Bähr (Europa-Universität Viadrina Frankfurt),
19. Dezember, 18:30 Uhr

 

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Von Cometen (Heupold)
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Vom Cometen (Herlitz)
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Mathemata astronomica (Cysat)
11. Dezember 2018

Krieg unter Schimpansen?


Wir Menschen sind sicher die gewalttätigste Art, aber auch diejenige mit der größten Fähigkeit zu Empathie, Kooperation und Altruismus.

Mit etwa 99 % identischem Erbgut sind Schimpansen unsere nächsten lebenden Verwandten.
Schimpansen teilen viele Eigenschaften mit dem Menschen. Sie benutzen Werkzeug, taktieren, zeigen Mitgefühl, adoptieren Waisen, schützen und trösten Freunde und töten wie der Mensch Artgenossen.
 
Gruppeninterne Konflikte verlaufen in der Regel ohne tödliche Gewalt. Beim Revierstreit zweier Gruppen können jedoch einzelne Tiere getötet werden; das ist meist dann der Fall, wenn die Angreifer – überwiegend Männchen – zahlenmäßig überlegen sind. Die Opfer sind meist einzelne männliche Tiere oder Kinder.
 
Schimpansen leben in Gruppen von 20 bis 200 Individuen. Die Grenzgebiete ihrer Territorien durchstreifen Patrouillen, die von Männchen angeführt werden. Kommen sich Gruppen zu nahe, versuchen sie lautstark, die jeweils andere zu vertreiben. Ist eine der Parteien deutlich überlegen, sind Angriffe möglich. Langjährige Feldstudien zeigten, dass Grenzkonflikte mit Tötungen zur Erweiterung des Territoriums führen können – ob dies Ziel oder Folge der Streitigkeiten war, ist bislang nicht klar.

Veranstaltungstipp:
Vortrag "Führen Schimpansen Krieg?"
Mittwoch, 12. Dezember 2018, 18:30 Uhr
Roman M. Wittig (Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig) spricht über Aggression unter Schimpansen und ihre Ursachen.


In diesem Videoausschnitt wird eine Sequenz aggressiver Schimpansen gezeigt:
 
Credits:
Tai Chimpanzee Project
Aufnahmen: Liran Samuni, Alexander Mielke, Roman Wittig, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
03. Dezember 2018

Tiere als Soldaten


Die erste Assoziation zu diesem Titel sind wohl die anonymen „Soldaten“ staatenbildender Insekten, die analog zum menschlichen Soldaten Teil einer namenlosen Armee werden, ausgestattet mit spezifischen Waffen zur Verteidigung bzw. Kriegführung. So gibt es bei Termiten neben den Geschlechtstieren auch Arbeiter und Soldaten, bei denen die Geschlechtsorgane zwar verkümmert sind, die aber im Falle der Soldaten entweder gewaltige Kiefer (Kiefersoldaten) oder respektable Kopfgebilde (Nasensoldaten) tragen. Auf den Eindringling wird mit vehementem Stechen und Hauen reagiert, oft in Kombination mit chemischen Keulen, sprich Giftsekret.

Diese, den Soldaten des Menschen ähnlichen Sechsbeiner, bilden aber bloß den Ausgangspunkt der Betrachtung. Vielmehr geht es um diverse Tierarten, die vom Menschen als Mittel zum Zweck seiner eigenen Kriege ge- bzw. missbraucht werden. Es überrascht wenig, dass unser ältestes Haustier, der Hund, bereits in den Kriegen der Antike eine Rolle spielte. Griechen und Assyrer sandten ihren Armeen Kampfhunde im Lederpanzern voraus, um den Feind aufzuspüren und Verwirrung zu stiften.
 
Pferde, Maultiere, Dromedare und Elefanten mussten in den Krieg ziehen, und mancherorts tun es Pferde noch heute. Der Karthager Hannibal überquerte 218 v. Chr. mit 37 Elefanten die Alpen, ein Unterfangen, das zum Klassiker der Geschichtsschreibung wurde. Weniger bekannt ist der Umstand, dass es sich dabei fast ausschließlich um Afrikanische Elefanten handelte, eine Art, die heute im Unterschied zum Asiatischen Elefanten kaum mehr gezähmt wird.

Neben Kampfhunden, verschiedenen Reit- und Transporttieren, Delphinen, die Minen suchen und Adlern, welche Drohnen abfangen sollen, hat der findige Mensch bereits in der Antike biologische Waffen in Form ganzer Bienen- oder Hornissenvölker verwendet. In Tonkrügen verwahrte Völker dieser stechlustigen Hautflügler wurde mittels Katapulten in die gegnerischen Reihen geschleudert und sorgten dort zumindest für Ärger und Verwirrung.

Es sollte nachdenklich stimmen, dass Bienen als Soldaten auch heute noch nicht ausgedient haben! Konditioniert auf den Geruch von Sprengstoff suchen sie, ohne Explosionen auszulösen, nach verstecken Landminen und verraten deren Standort mittels arteigener Kommunikation, sprich Schwänzeltanz, auch dem Menschen.


Veranstaltungstipp:

Themenführung am 9. Dezember 2018 um 15:30 Uhr
"Tiere als Soldaten"
mit Andreas Hantschk, NHM Wien

zur Veranstaltung
:
29. November 2018

Der Wert der Toten


Was wird in den Sammlungen eines Naturhistorischen Museums gemacht? Wieso gibt es so viele menschliche Überreste in diesen Sammlungen?
Was kann man daraus lesen und wie wird damit umgegangen?
 
Bei einer Führung durch die Anthropologische Abteilung erklärt NHM Wien-Anthropologin Sabine Eggers, auf welchen Wegen Skelette in die Sammlung gelangen und wie unterschiedlich die Bedeutung menschlicher Überreste für Sammelnde, Forschende, Museen und Gesellschaften der Herkunftsländer sein kann!

"Der Wert der Toten"
Sonntag, 2. Dezember, 11:00 Uhr

Führungskarte: 8,00 Euro, zuzüglich Eintritt
[keine Anmeldung erforderlich]

Im Voraus ein kleiner Einblick und ein Apell an die BesucherInnen:
 
26. November 2018

Konflikte und Rituelle Gewalt II


Alexandra Krenn-Leeb vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universtität Wien hält am Mittwoch, 28. November 2018 um 18:30 Uhr einen Vortrag über „Konflikte und rituelle Gewalt – Beispiele vom Neolithikum bis zur Bronzezeit“.

Als Ergänzung zum letzten Blogbeitrag haben wir noch ein paar Fragen gestellt:


Sie behandeln in Ihrem Vortrag die Zeitspanne des Neolithikums und der Bronzezeit. Können Sie Charakteristika von Gewaltkonflikten des Neolithikums im Gegensatz zur Bronzezeit nennen?

Gewaltsame Konfliktlösungen können wir sowohl für das Neolithikum (Jungsteinzeit) als auch für die Bronzezeit nachweisen. Die Konfliktarchäologie versucht anhand direkter und indirekter Spuren Konfliktereignisse zu rekonstruieren. Gelegentlich gelingt die Ermittlung eines Tathergangs, schon seltener jene des Tatorts. Besonders schwierig und häufig unmöglich gelingt die Ermittlung der Motivation und die Ermittlung der Täter(gruppen). Bemerkenswerterweise können jedoch verhältnismäßig selten Konfliktereignisse an sich erfasst werden, auch nicht in der Bronzezeit. Auch wenn sich eine Intensivierung der gewaltsamen Ereignisse in der Bronzezeit nicht unbedingt immer im archäologischen Kontext niederschlägt, können wir sie indirekt ermitteln. Dafür stehen folgende Quellen zur Verfügung: schriftliche und bildliche Dokumente, Waffen, Befestigungsanlagen und natürlich die menschlichen Opfer!
Ursächlich spielen meistens gesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und auch ideologische Unterschiede innerhalb der Gemeinschaften eine große Rolle für die Bildung von Unmut, Unzufriedenheit und einer geringen Toleranzbereitschaft. In der Bronzezeit entwickelten sich mehrere Spannungsfelder, wie beispielsweise durch eine deutliche soziale Hierarchisierung der Gesellschaft sowie durch die qualitative Verbesserung der Materialeigenschaften von Bronze. Die Metallurgie war stets eng mit wirtschaftlichen und politischen Interessen verbunden. Die Bewaffnung wurde professioneller und damit einhergehend auch die Kampftechniken. Bestens geschulte Krieger wurden nun bei gewaltsamen Konfliktlösungen eingesetzt. Im 2. Jahrtausend v. Chr. kann man demnach definitiv von den ersten Kriegen zwischen territorialen Mächten sprechen.
 

Welche Beispiele aus Österreich gibt es?

Der früheste Nachweis eines Massakers konnte in Schletz bei Asparn an der Zaya in einer befestigten Siedlung des Frühneolithikums (erstes Viertel des 6. Jahrtausends v. Chr.) beobachtet werden. Hier wurde eine Dorfgemeinschaft überfallen und weitgehend ausgelöscht. Bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. (Kupferzeit) beschränkten sich die Konfliktereignisse auf tribale Fehden („Stammesfehden“). Bemerkenswert ist die Häufung von rituellen Handlungen an den Getöteten um das Todesereignis herum. So werden wiederholt Manipulationen an den Leichnamen durchgeführt, die nach einem bestimmten Muster erfolgen und somit direkt auf damit verbundene Rituale hinweisen. Die menschlichen Skelettreste vom Hundssteig in Krems an der Donau zeigen einen solchen Befund. Ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. (Bronzezeit) ermitteln wir deutlich unterschiedlichere Konfliktereignisse – von der individuellen Gewaltanwendung bis zu den ersten Kriegsereignissen. Aber auch differenzierte Bestattungssitten verweisen auf ein mögliches Konfliktpotenzial innerhalb der sozialen Struktur der Gemeinschaften.


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Hundssteig
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Hainburg
23. November 2018

Konflikte und Rituelle Gewalt I


Alexandra Krenn-Leeb vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie an der Universtität Wien hält am Mittwoch, 28. November 2018 um 18:30 Uhr einen Vortrag über „Konflikte und rituelle Gewalt – Beispiele vom Neolithikum bis zur Bronzezeit“.

Wir haben ihr vorab ein paar Fragen gestellt, um Einblicke in das Thema zu bekommen:

Sie sind im Forschungsgebiet der Urgeschichte und Archäologie tätig. Wie kam es zu der Faszination und was sind heute Ihre Forschungschwerpunkte?

Nach einem prägenden Besuch im Krahuletzmuseum in Eggenburg war ich bereits im 6. Lebensjahr von der Archäologie fasziniert. Am Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien habe ich schließlich meine berufliche Heimat gefunden. Meine Forschungsschwerpunkte umfassen im Wesentlichen sozialarchäologische Themen, wie etwa „Humanökologie der Kupferzeit“, „Identität, Mobilität & Tradition bronzezeitlicher Populationen“, „Deponierungen im Kontext Raum und Ritual“, Konflikt oder Kult? Krisen & Krisenbewältigung vs. rituelle Manipulation vom Neolithikum bis zur Bronzezeit“, „Wissenschaftsgeschichte zur Urgeschichte und Historischen Archäologie in Österreich: Fokus Nachkriegszeit“ sowie „BALANCE – Gesundheitsförderung und Vorsorgeforschung in der Archäologie“.


In Ihrem Vortrag werden Sie auch darauf eingehen, wie sich kriegerische Auseinandersetzugen entwickelt haben. Wie definieren Sie Konflikt und wie Krieg?

Es gibt zu viele Definitionen von Konflikt und von Krieg, um sie in diesem Rahmen umfassend anführen zu können. Grundsätzlich lässt sich aber bemerken, dass Konflikt einen Überbegriff darstellt und physische und/oder psychische Gewalt erzeugt. Ein Konflikt kann aktiv geschürt und herbeigeführt werden oder sich passiv schleichend entwickeln. Bei einem Konflikt werden Akzeptanz- und Toleranzgrenzen überschritten und (Gegen-)Reaktionen (Eskalation) erzeugt. Es kommt in der Folge zu Konfliktlösungen, die ein breites Spektrum umfassen können. Beispielsweise kann es durch Verhandlungen zu Kompromissen und friedvollen Konfliktlösungen kommen. Oder man versucht, die Interessen mit Hilfe von Gewaltanwendung durchzusetzen. Krieg ist die gewaltsamste Form der Interessensdurchsetzung und ist daher auch eine Art einer Konfliktlösung. Dieser bedeutet jedoch in der Regel für sämtliche Beteiligten katastrophale Bedingungen, tödliche oder zumindest schmerzhafte Erfahrungen sowie eine nachhaltige Traumatisierung über das Ereignis hinaus.


Sie sprechen auch von "Ritueller Gewalt". In welchen Formen und wann trat diese auf?

Gewalt erzeugt Macht und repräsentiert eine illegitime Ausübung von Zwang. Rituale bzw. ritualisierte Handlungen dienen zur Festigung von Gemeinschaften und Gruppen. Sie sind dann notwendig, wenn Solidarität oder Identität der Gemeinschaft ins Wanken geraten. Durch Rituale wird die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Ausdruck gebracht. Rituale sind identitätsstiftend, kommunikativ, bilden soziale Gefüge, geben Halt und erzeugen einen gemeinsamen ideellen Hintergrund. Rituale weichen bewusst von alltäglichen profanen Handlungen und Routinen ab. Ritualisierte Handlungen können nun auch gewaltsam sein, womit umso mehr die Macht der Gewalt Ausübenden demonstriert wird. Wir können davon ausgehen, dass sich rituelle Gewalt mit dem Entstehen menschlicher Gemeinschaften bereits im Paläolithikum (Altsteinzeit) entwickelt hat. Die Konfliktarchäologie analysiert die spärlichen und häufig sehr schlecht erhaltenen Spuren dieser eskalierenden Form von Machtdemonstration.


[2. Teil des Interviews folgt.]
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16. November 2018

Krieg in der Bronzezeit


Nach aktueller archäologischer Faktenlage ist das kulturelle Phänomen Krieg erstmals kurz nach Beginn der Jungsteinzeit fassbar – stets in Verbindung mit Sesshaftigkeit, Bevölkerungswachstum, Besitz, Ressourcenmangel, Grenzbildung und stärkerer Hierarchisierung.
 
Spätestens die bronzezeitlichen Herrscher verfügten wohl über professionelle Armeen. Die Entwicklung vom Kämpfer über die ersten Krieger am Ende der Jungsteinzeit zu den „Soldaten“ der Bronzezeit war damals abgeschlossen. Parallel dazu erfolgte eine Waffenspezialisierung. Am Ende der Bronzezeit waren damit in Mitteleuropa all jene Komponenten vorhanden, die die Kriegsführung späterer Zeiten bestimmten.
 
Das bislang älteste Schlachtfeld Europas liegt in Mecklenburg. Systematische Untersuchungen erbringen Indizien für einen gewaltsamen Konflikt, dessen Ausmaß zuvor für mitteleuropäische Verhältnisse kaum für möglich gehalten wurde. Mit Hunderten Toten und nach Schätzungen mehreren Tausend Beteiligten ging dieser Kampf weit über einen Streit regionaler Gruppen hinaus.
 
Isotopen- und Waffen-Analysen deuten auf eine unterschiedliche Herkunft der Kämpfer. Offenbar kämpften hier Ansässige mit Pfeilspitzen aus Feuerstein und Holzkeulen gegen Eindringlinge mit moderneren Waffen aus Bronze, wie sie weiter im Süden bereits verwendet wurden.
 
Die standardisierte Pfeilbewaffnung, der Einsatz von Pferden sowie verheilte Verletzungen bei den Kämpfern zeigen, dass an der Schlacht viele „erfahrene Krieger“ teilnahmen. Das Kommando führten möglicherweise ranghohe Persönlichkeiten, deren Goldschmuck auch auf dem Schlachtfeld blieb. Vor allem junge Männer kämpften hier mit Pfeil und Bogen, Lanze, Schwert, Messer, Keule und Beil, wobei die Distanzwaffe Pfeil offenkundig eine zentrale Rolle spielte.
 
Insgesamt 10.000 Menschenknochen von mindestens 130 Personen wurden bislang im Tollensetal geborgen, davon allein 77 Personen an der Hauptfundstelle. Meist lagen die Knochen nicht mehr im anatomischen Verband, gelegentlich nur einzelne Körperpartien. Vermutlich hat die Strömung die Leichenteile kleinräumig verlagert. Unter den Toten befanden sich wenige Frauen und Kinder, sondern vor allem 20- bis 40-jährige Männer mit zahlreichen unverheilten Verletzungen, die von einer Beteiligung an einem bewaffneten Kampf zeugen. Meist wurden Pfeilschuss- und Stichverletzungen diagnostiziert, aber auch verschiedenartige Hieb- und Schlagwunden.

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06. November 2018

Die Gräber im Marchfeld


Die Erforschung des Phänomens „Krieg“ hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht: Schlachtfelder und Befestigungen wurden ausgegraben, Massengräber geborgen, unzählige Skelette mit Verletzungsspuren untersucht, Waffen sowie bildhafte Darstellungen und historische Texte analysiert. Archäologische und anthropologische Forschungen liefern wichtige Erkenntnisse über Kriegsführung in der Geschichte.
 
So lässt sich auch aus den Knochen jener Soldaten, die 1809 im napoleonischen Krieg auf den Schlachtfeldern von Aspern und Deutsch-Wagram getötet wurden, mit forensisch-anthropologischen Methoden viel über das Schicksal einzelner, an der Schlacht beteiligter Menschen ablesen.
 
Seit März 2017 werden großflächige Bereiche der S8 – Marchfeldschnellstraße im Auftrag der Asfinag archäologisch untersucht. Denn an der Stelle, wo zukünftig die S8 verlaufen wird, fand diese Schlacht 1809 – eine der größten Schlachten der napoleonischen Zeit – statt. Archäologische Zeugnisse sind heute noch im Boden verborgen und werden systematisch geborgen, dokumentiert und ausgewertet.
 
„Was als ‚Standard‘-Rettungsgrabung im Frühling 2017 begonnen hat, hat doch einige unerwartete Wendungen genommen. Zwar wussten wir, dass hier das Schlachtfeld von der Schlacht bei Wagram im Jahr 1809 war; jedoch die Fülle an Funden und Befunden ist außergewöhnlich. Insbesondere die zahlreichen Skelette, ob in Einzel- oder Mehrfachbestattungen, haben wir nicht in dieser Form erwartet.
Die Grabungen sind noch nicht abgeschlossen, aber dennoch liegen schon einige Ergebnisse vor. Vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit HistorikernInnen und AnthropologInnen liefert einzigartige Erkenntnisse“, erzählt Alexander Stagl, Projektleiter der Grabung, Novetus Gmbh – Archäologie und Architektur.
 
Die vielen Ergebnisse der Grabung darzustellen, ist eine Herausforderung. Daher wurden für die Ausstellung Videos gedreht, die Einblicke in die Grabung geben. Mittels QR-Codes könnten die Videos vor Ort heruntergeladen und angesehen werden.
 
Außerdem kann auf einem Touchscreen die Grabung durch den Besucher selbst "durchgeführt" werden. Eine detailgenaue Visualisierung der Felder befindet sich in der Ausstellung und veranschaulicht auf intensive Weise die Dimensionen der Grabung.

[Visualisierung durchgeführt von der Agentur "P&R"]

Veranstaltungstipp:
 
Mittwoch, 7. November 2018, 18.30 Uhr:
"Das Schlachtfeld von Deutsch Wagram – Eine archäologische Untersuchung"
Alexander Stagl, Slawomir Konik (Novetus GmbH – Archäologie und Architektur)
 
Alexander Stagl ist Projektleiter und wird die Grabung im Überblick vorstellen.
Slawomir Konik ist Grabungs- und wissenschaftlicher Leiter bei diesem Projekt und wird die ersten Ergebnisse präsentieren.
02. November 2018

Vom Werkzeug zur Waffe


Die Ausstellung behandelt die kulturelle Evolution von Krieg, die Entwicklung kriegerischer Auseinandersetzungen seit der Frühgeschichte.
 
Beim Menschen greifen biologische und kulturelle Evolution stark ineinander. Ironischerweise bringt diese schöpferische Kraft auch tödliche Waffen hervor; die bio-kulturelle Evolution des Menschen beinhaltet daher auch eine Evolution des Krieges. Gezeigt wird die Entwicklung vom Werkzeug zur Waffe, vom Einzelfall zum Massenmord, vom mythischen „Helden“ zum namenlosen Soldaten als „Kanonenfutter“...
 
Bis in die Jungsteinzeit verwendete man bei Gewaltkonflikten Werkzeuge und auch Jagdwaffen: Beile, Steinkeulen oder Pfeil und Bogen zum Beispiel. Der Beginn der Entwicklung reiner Kriegswaffen lässt sich indes nur schwer ausmachen. Insbesondere bei den Schutzwaffen ist zu vermuten, dass solche Waffen aus Holz und Leder oft nicht erhalten blieben und daher viel älter sind, als es die bislang bekannten Originale vermuten lassen.
 
Zweischneidige Dolche aus Kupfer sind ab dem 4. Jahrtausend (Späte Jungsteinzeit) bekannt. Dolche waren gleichzeitig Waffe, Werkzeug und Statuszeichen.
 
Die Lanze aus Metall gehörte ab der frühen Bronzezeit zur Ausrüstung des Fußkriegers. Ab der späten Bronzezeit bekleideten Reiterkrieger in der bäuerlichen Gesellschaft eine hohe soziale Stellung. Sowohl Fußkrieger als auch Reiter kämpften mit Lanzen.
 
Ab der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. (Bronzezeit) setzte sich das Bronzeschwert als Nahkampfwaffe und Statuszeichen des Kriegers durch. An der Form der Klinge lässt sich die Kampftechnik ablesen. Die frühen Langschwerter mit spitz zulaufenden Klingen wurden als Stichwaffen verwendet. Die Schwerter mit stumpfem Ende sind Hiebwaffen und dürften mit der berittenen Kampfweise ab der späten Bronzezeit zusammenhängen. Das kombinierte Stich- und Hiebschwert vereint die Funktionen von Dolch und Streitaxt. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. (ältere Eisenzeit) wurden Schwerter aus Eisen geschmiedet.
 
Das Schwert ist das erste Instrument, das ausschließlich als Kampfwaffe zum Töten von Menschen entwickelt wurde. Davor kämpften die Menschen der Steinzeit mit Jagdwaffen, Werkzeugen und landwirtschaftlichen Geräten gegeneinander.
 
 
Veranstaltungstipp:
Barbara Hirsch führt am Sonntag, 4. November, um 15:30 Uhr zum Thema „Vom Überfall zum Schlachtfeld“ durch die Ausstellung.
Gesellschaftliche Veränderungen zeigen sich auch in der Art und Weise, wie Krieg geführt wird. Die Führung stellt Taktik, Waffen und soziale Zusammenhänge im Wandel der Zeit vor.
 
Im Video veranschaulicht Barbara Hirsch kurz die Entwicklung der Waffen vom Werkzeug zum Kriegsinstrument:


31. Oktober 2018

Individuum 13


Im Massengrab von der Schlacht bei Lützen (1632) befinden sich 47 Skelette. Die Geschichte eines der 47 Individuen wird hier rekonstruiert:

Individuum 13 stürzte beim Angriff der Infanterie vom Pferd und verblutete. Das wissen Forscher nach zahlreichen bioarchäologischen Untersuchungen, die am Skelett des Mannes vorgenommen wurden. Ein schwedischer Soldat hatte ihm mit einem stumpfen Gegenstand einen Schlag an die Stirn versetzt, sein rechter Mittelfußknochen barst, sterben musste er letzten Endes aufgrund eines Schwertstichs im Bauchraum. Als die Schlacht von Lützen am 16. November 1632 im Morgengrauen ihren Lauf nahm, war Individuum 13 mit seinen 25 bis 30 Jahren im besten Soldatenalter. 14 Kriegsjahre hatte der junge Mann unbeschadet überstanden; dass er vom Pferd fiel, war sein Todesurteil: Weil er in seiner Jugend einen Oberschenkelbruch erlitten hatte, war sein rechtes Bein um acht Zentimeter kürzer als das linke. Er humpelte stark und hatte keine Chance schnell genug vor den feindlichen Soldaten wegzulaufen. So starb er mit rund 6.000 anderen Soldaten in der blutreichsten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges. Mit hoher Wahrscheinlichkeit, ohne aus ideeller Gesinnung oder religiösen Gründen gekämpft zu haben: Missernten und Hungersnöte hatten ihn in Hinblick auf sicheres Soldatensold in den Krieg getrieben. Sein Leichnam wurde – mit dem Gesicht nach oben, nackt und jeglichen Besitzes beraubt – als einer der letzten ins Lützener Massengrab gelegt, das eines der Hauptausstellungsstücke unserer Sonderschau „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ ist. Mit den abgespreizten Armen erinnert Individuum 13 an die Darstellungen von Jesus Christus am Kreuz. Ob er von den Dorfbewohnern mit Absicht so drapiert wurde oder ob er schlicht nach dem Wurf in die Grube auf diese Art zum Liegen kam, ist bis heute Anlass für Spekulationen.

Am 1. November ist Allerheiligen. Individuum 13 erinnert uns an die vielen sinnlosen Opfer, die Kriege von Beginn an fordern.



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29. Oktober 2018

#NHMLoveNotWar


"Make love, not war" – unter diesem Motto möchten wir die digitale Welt mit Frieden fluten und laden Sie zur Teilnahme am Fotowettbewerb ein!
Teilen Sie Ihre individuellen Bilder von Frieden und Liebe als Gegenpol zu Krieg – egal, ob in der Stadt, in der Natur oder in Ihrem persönlichen Umfeld!



Seit 24. Oktober 2018 zeigen wir die Ausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ und Sie können mit Ihren Fotos Teil davon werden. Zeigen Sie uns Ihre Friedensbotschaft!

Einreichungen sind von 24. Oktober 2018 bis 31. März 2019 auf Instagram unter dem Hashtag #NHMLoveNotWar möglich. Partner der Challenge sind Instagramers Austria und Instagramers Vienna.

Die schönsten Bilder werden monatlich ausgewählt und ab 28. November 2018 laufend in der „Friedenswerkstatt“ in Saal 50 auf einem Screen gezeigt.
Die 20 besten Fotos davon werden darüber hinaus in einem Friedens-Buch gesammelt, das am Ende der Ausstellung dem Bundespräsidenten von Österreich überreicht wird.


Die Entscheidung wird von einer Jury getroffen, die aus folgenden Mitgliedern besteht:
@nhmwien
@igersaustria.at
@igersvienna
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Hashtags:
#NHMLoveNotWar – bitte verwenden Sie diesen Hashtag, damit wir die Bilder gut finden können.
Weitere: #nhmwien #nhmwienkrieg #igersvienna #igersaustria
@nhmwien @igersvienna @igersaustria
 
Gewinne:
  1. Preis: ein Muschel- oder Spargeldinner im historischen Ambiente des NHM Wien (Deluxe-Gutschein, bereitgestellt von Food Affairs),
    ein Ausstellungspaket für „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ (1x2 Eintrittskarten und Ausstellungskatalog),
    1x
    Staud’s Edition „Sisi & Franz“. Zusätzlich wird das Gewinnerbild in der Ausstellung in Saal 50 gezeigt und wird zum Cover des Buches für den Bundespräsidenten.
  2. Preis: ein NHM Wien-Museumspaket: 1x2 Eintrittskarten, ein Gutschein für eine Themenführung Ihrer Wahl, ein Buch über die Schausammlung des Museums,
    1x
    Staud’s Edition „Sisi & Franz“.
  3. Preis: 1x2 Eintrittskarten für das NHM Wien,
    1x
    Staud’s Edition „Sisi & Franz“.
     
50 von der Jury ausgewählte Bilder werden in der Ausstellung in Saal 50 auf einem Screen gezeigt und ergänzen so die „Friedenswerkstatt“ parallel zu „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ im Hochparterre. Außerdem werden die davon 20 besten Bilder in einem Friedens-Buch für den Bundepräsidenten von Österreich abgedruckt, welches ihm am Ende der Ausstellung überreicht wird.


Die GewinnerInnen werden per Privatnachricht direkt auf Instagram kontaktiert.
Bei Verwendung des Hashtags #NHMLoveNotWar ist auch eine Teilnahme über Facebook möglich.

Alle Teilnahmebedingungen finden Sie hier.
26. Oktober 2018

Poetische Führung


Vermessenes Versprechen

Wie machtbewusst das klingt:
Wir retournieren unbekannten Toten
nach langen Jahren ihre Biographie.
Und ein gewisser Stolz
ist zweifellos berechtigt:
Wir haben jetzt,
nach intensiver Forschung,
ein deutlich besseres Bild
von Dutzenden Soldaten,
die in der Schlacht bei Lützen
ihr Leben lassen mussten.
 
So wissen wir,
woher sie kamen
und woran sie starben,
da Zähne über das Geburtsland
Auskunft geben
und Rippenknochen
über eine karge Kindheit;
und auch die Mühen
des Soldatenlebens
sind vielfach nachvollziehbar:
der langen Märsche Qual,
die ihre Spuren hinterließen
mit wunden Füßen
und gebrochenen Knochen,
mit Läusen, Flöhen, Pilzinfektionen,
mit abgenutzten
oder gar verlorenen Zähnen,
mit schmerzenden Gelenken,
schlecht verheilten Wunden,
ein mühevolles
und entbehrungsreiches Dasein,
beendet allzu oft
durch einen frühen,
zumeist auch furchtbar
würdelosen Tod.

Und doch:
Was ist das schon,
wenn dieser oder jener
der gefallenen Krieger
mit Daten ausgewertet wird
und Teil einer Tabelle,
die sich zusammensetzt
aus dürftig-dürren Fakten
ein zweifelhaftes Denkmal
ohne Namen
und ohne alle Attribute,
die einen Menschen
erst zum Menschen machen.
 
 




Wie war er?
Freundlich oder mürrisch,
zurückgezogen oder offen,
was tat er, wenn er nicht
marschierte oder kämpfte,
besaß er spezielle Fähigkeiten,
und welche Farbe
hatten seine Augen?
 
Wen oder was
hat er zurückgelassen,
bevor er in den Krieg zog,
wie viele Jahre hatte er
die Seinen nicht gesehn?
In welcher Sprache
unterhielt er sich
mit seinen Kameraden,
gab’s bei der Truppe
einen besten Freund
und warteten zu Hause
Frau und Kind?
 
Zog die Familie
vielleicht sogar mit ihm
und irrten seine Lieben
nach dem Schlachtenende
vergeblich suchend
über wüste Felder,
mit Bangen Ausschau haltend
und zugleich verzweifelt plündernd,
bestrebt, die Not
im kriegsbedingten Alltag
zumindest um ein Weniges
zu lindern?
 
In seiner Todesstunde schließlich
ward ihm bewusst,
dass er nur Spielball war,
bedenkenlos gebrachtes Opfer
in einer Schlacht,
die Tausende von Toten produzierte
und doch nach militärischen Begriffen
nicht einmal einen klaren Sieger kannte?
 
Von welchen Menschen nahm er
in Gedanken Abschied,
wenn ihm die Zeit dafür gewährt ward,
und welches Bild
trug er auf seiner Netzhaut,
als er starb?

©Brigitta Schmid

Veranstaltungstipp:

"Poetische Führung zum Thema Krieg" mit Brigitta Schmid
am 28. Oktober 2018 um 15:30 Uhr

Die Spirale der Gewalt, die durch wechselseitig Entwicklung von Angriffs- und Schutzwaffen in Gang gesetzt wurde, mündete in eine Kriegsführung mit zunehmend vernichtenderen Methoden. Diese Dynamik wird in poetischen Texten thematisiert und anhand ausgewählter Objekte in der Schausammlung und Sonderausstellung Krieg - auf den Spuren einer Evolution bespielhaft veranschaulicht.

Führungskarte: 4,00 Euro, zuzüglich Eintritt
Keine Anmeldung erforderlich.

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25. Oktober 2018

Lehren ziehen



Wie haben sich kriegerische Auseinandersetzungen im Laufe der Menschheitsgeschichte entwickelt? Wie greifen biologische und kulturelle Evolution ineinander?
Und welche Lehren kann man aus der "Sinnlosigkeit des Krieges" ziehen?

Die Entwicklung vom Werkzeug zur Waffe, vom Einzelfall zum Massenmord, vom mythischen "Helden" zum namenlosen Soldaten als "Kanonenfutter" sehen Sie in der Ausstellung.
Zentrales Ausstellungsobjekt und Mahnmal gegen den Krieg ist das Massengrab aus dem Dreißigjährigen Krieg, das in einem Block geborgen und mit modernsten Techniken untersucht wurde. So gelang es, den namenlosen Toten zumindest eine persönliche Biografie wiederzugeben.

Um diese Inhalte adäquat zu vermitteln, wird ein umfassendes Schulprogramm und Führungen für LehrerInnen angeboten:

- Führungen für LehrerInnen:
Donnerstag, 25. Oktober, um 16:30 Uhr & Mittwoch, 28. November, um 16:30 Uhr

- Führungen für SchülerInnen:
Es sind jederzeit Schulführungen ab der 7. Schulstufe mit einer Dauer von 80 Minuten buchbar.

- Friedenswerkstatt - Workshop "Krieg & Frieden":
ab der 7. Schulstufe, Dauer: 3 Stunden

Modul 1: CSI Labor "Unbekannte Tote erhalten ihre Biografie"

Modul 2: Schreibwerkstatt "Peace - Eine unterschätzte Größe"


Weiterführende Informationen hier.

Auskunft und Anmeldung unter:
+43 1 52177 335
oder via Anmeldeformular

 

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24. Oktober 2018

Medizin im Ersten Weltkrieg


Parallel zur Ausstellung "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution" in den Sonderschauräumen des Naturhistorischen Museums Wien ist in der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm die Ausstellung "Medizin im Ersten Weltkrieg" zu sehen!

Sie zeigt, wie nachhaltig und zerstörerisch sich Krieg auf viele Überlebende auswirkt. Das lässt sich unter anderem an „zivilen“ Objekten aus der Nachkriegszeit dokumentieren. Am Ende der Ausstellungsräume im NHM Wien erinnern Prothesen an das Ende der Ersten Weltkriegs 1918 und spannen so den Bogen zu den Objekten im Narrenturm. Sie sollten den verwundeten Soldaten das Leben erleichtern und sind heute Bestandteil der pathologisch-anatomischen Sammlung des NHM Wien.

In drei renovierten Räumen im Narrenturm dokumentieren Objekte der pathologisch-anatomischen Sammlung die typischen Verletzungen des Ersten Weltkriegs, das Können Lorenz Böhlers und den Beginn der modernen Unfallchirurgie sowie die rekonstruierenden Maßnahmen des frühen 20. Jahrhunderts.

Der Erste Weltkrieg war eine kriegerische Auseinandersetzung von bis dahin unbekanntem Ausmaß. Dies stellte Sanitäter und Ärzte vor neue Herausforderungen. Zur Ausbildung von künftigen Medizinern wurden verschiedene Verletzungen präpariert und in pathologisch-anatomischen Sammlungen aufbewahrt. Diese Präparate geben einen Einblick in die unterschiedlichsten Verwundungen, mit denen Ärzte im Ersten Weltkrieg konfrontiert waren.

Link:
Pathologisch-anatomische Sammlung im Narrenturm
 

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24. Oktober 2018

Die Ausstellung ist eröffnet!


Seit heute, 24. Oktober 2018, ist die neue Sonderausstellung "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution" eröffnet.

Ein kleiner Einblick in die Ausstellung und den Eröffnungsabend am 23. Oktober:

[Eröffnungsredner v.l.n.r.: Harald Meller (Landesarchäologe Sachsen-Anhalt), Christian Köberl (Generaldirektor NHM Wien), Gunnar Schellenberger (Staatssekretär von Sachsen-Anhalt), Johannes K. Haindl (Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Wien)]


Link zur Ausstellung
 

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23. Oktober 2018

Mahnmal gegen den Krieg


6. November 1632.
Mitten im Dreißigjährigen Krieg findet auf einem schlammigen Feld bei Lützen (Deutschland) eine der blutrünstigsten Schlachten statt: das schwedische Heer unter Führung von König Gustav II. Adolf kämpft gegen die katholischen kaiserlichen Truppen unter Albrecht von Wallenstein. Mehr als 10.000 Kämpfer werden getötet, entkleidet und geplündert. Bauern nehmen sich der unzähligen Leichen an und bestatten sie am Feld.
 
Hier, im Naturhistorischen Museum Wien, sind nun 47 dieser Skelette zu sehen, als Block aus dem Massengrab gehoben, wissenschaftlich untersucht und präpariert. Einige Geschichten der 47 Individuen wurden rekonstruiert und werden im Museum nacherzählt. Die Kämpfer waren normale Menschen, arm und verzweifelt und sahen im Krieg oft ihre einzige Chance, um zu überleben.
 
Warum dieses Massengrab als Mahnmal gegen den Krieg zu betrachten ist, erzählt Univ.-Prof. Dr. Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, im Video. Was war die Motivation der Kämpfer und was können wir nun, fast 400 Jahre später, aus den Überresten dieser Schlacht lernen?

 

Veranstaltungsankündigung:

Am 24. Oktober 2018 um 18:30 Uhr spricht Univ.-Prof. Dr. Harald Meller im NHM Wien über "Helden, Fürsten und Armeen. Wie in der Bronzezeit aus Kriegern Soldaten wurden".

Am Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit vollzog sich der Wandel hin zu einer äußerst hierarchischen Gesellschaft. Die an der Spitze stehenden Herrscher waren in ein über Europa hinausreichendes Netzwerk eingebunden und sicherten ihre Macht durch militärähnliche Organisationsstrukturen.
 
Gültige Eintrittskarte erforderlich.
Der Besuch des Vortrags ist frei.
Keine Anmeldung erforderlich.

18. Oktober 2018

Tödliche Werkzeuge


Die Ausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ füllt sich, und immer mehr historische Belege von kriegerischen Auseinandersetzungen in der Menschheitsgeschichte finden in den Sonderschausälen ihren Platz!
 
Bild 1 zeigt zum Beispiel Werkzeuge, die in der Jungsteinzeit bei Gewaltkonflikten auch zu Waffen umfunktioniert wurden (u.a. auch Jagdwaffen). Der Beginn der Entwicklung reiner Kriegswaffen lässt sich indes nur schwer ausmachen. Insbesondere bei den Schutzwaffen ist zu vermuten, dass solche Waffen aus Holz und Leder oft nicht erhalten blieben und daher viel älter sind, als es die bislang bekannten Originale vermuten lassen. Steinkeulen gelten als die ältesten Waffen der Menschheit, die eindeutig auch zur Tötung von Menschen entwickelt wurden. Hölzerne Exemplare blieben selten erhalten und wurden vielleicht auch als Werkzeug verwendet.   
In dieser Vitrine sind etwa Dechsel, Steinbeile und Äxte aus Österreich und Tschechien zu sehen, von 5.300-3.300 v. Chr.
 
Bild 2 zeigt den Schädel eines 20 - bis 30-jährigen Mannes, mit einer unverheilten Lochwunde im Stirnbein, die mit einer Holzkeule zugefügt worden sein könnte. Die Verletzung stammt aus einem Kampf „Aug in Aug“ aus dem bislang älteste Schlachtfeld Europas in Mecklenburg mit einer Datierung um 1200 v. Chr. Systematische Untersuchungen erbringen seither Indizien für einen gewaltsamen Konflikt, dessen Ausmaß zuvor für mitteleuropäische Verhältnisse kaum für möglich gehalten wurde. Mit Hunderten Toten und nach Schätzungen mehreren Tausend Beteiligten ging dieser Kampf weit über einen Streit regionaler Gruppen hinaus.
 
Im Video erklärt uns Dr. Karin Wiltschke-Schrotta, interimistische Leiterin der Anthropologischen Abteilung des NHM Wien, inmitten der Aufbauarbeiten etwas genauer, was es mit diesem Schädel auf sich hat!
 
 
Bild 3 zeigt das Aufbauteam bei der Positionierung von 2.700 Bleikugeln, die – abgefeuert aus Pistolen, Karabinern und Musketen – mit Metalldetektoren auf dem Schlachtfeld von Lützen gefunden wurden. Direkt dahinter befindet sich das Massengrab aus der Schlacht von 1632.
 
Besonders viele der Gefallenen haben Schuss- und Hiebverletzungen am Schädel - offenbar das bevorzugte Ziel der Angriffe. 15 Kugeln beispielsweise stammen aus Waffen der Reiterei. Die Getroffenen müssen somit der Infanterie angehört haben. Nur sechs Kugeln sind Musketen zuzuordnen. Vergleichsweise selten sind Verletzungen des Rumpfes nachweisbar. Die Verletzungsmuster deuten darauf hin, dass überwiegend Fußsoldaten im Grab liegen, deren Aufstellung von einer Reiter-Einheit überrannt wurde. Elf Karabinerkugeln fand man im Grab, sechs davon als Kopftreffer im Schädel der Soldaten.
Je eine unverschossene Kugel trugen die Individuen Nr. 14 und Nr. 22 im Mund, um während des Kampfes schneller nachladen zu können. Eine Karabinerkugel traf Individuum 5 links in den Kopf und durchschlug den Knochen am rechten Hinterkopf, trat aber nicht aus dem Schädel aus.

 

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Bild 1: Werkzeuge
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Bild 2: Schädel aus dem Tollense-Tal
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Bild 3: Auflegen von 2.700 Bleikugeln
17. Oktober 2018

Im NHM Wien herrscht "Krieg"


Die Ausstellung rückt immer näher - nur noch 5 Tage und im Museum herrscht "Krieg"!


Am 23. Oktober laden wir um 10:30 Uhr zu einer Pressekonferenz mit:

Univ.-Prof. Dr. Christian Köberl, Generaldirektor des NHM Wien
Univ.-Prof. Dr. Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt
Dr. Reinhard Golebiowski, Leiter der Abteilung „Ausstellung und Bildung“ des NHM Wien
Dr. Karin Wiltschke-Schrotta, interimistische Leiterin der Anthropologischen Abteilung und der pathologisch-anatomischen Sammlung im Narrenturm des NHM Wien
Mag. Iris Ott, Abteilung „Ausstellung und Bildung“ des NHM Wien, zum Rahmenprogramm


Vorab hat Nikolaus Täuber von der Austria Presse Agentur einen Blick auf die Ausstellung geworfen:

Archäologische Zeugen kriegerischer Auseinandersetzungen stehen ab 24. Oktober im Mittelpunkt der neuen Sonderschau des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien. Im Stammhaus am Ring, wo man etwa ein Massengrab aus dem Dreißigjährigen Krieg sehen kann, und im "Narrenturm" mit seiner pathologisch-anatomischen Sammlung geht man u.a. der Frage nach, ob der Mensch aus der Geschichte lernt.

Die bis 28. April 2019 laufende Ausstellung "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution" ist eine Kooperation mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale (Deutschland) und wird anlässlich 100 Jahre Beendigung des Ersten Weltkrieges und 400 Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges gezeigt. Die Schau nimmt ihren Ausgangspunkt rund 7.000 Jahre in der Vergangenheit: Zu jener Zeit hat es in Schletz bei Aspern an der Zaya (NÖ) ein Massaker gegeben. Davon zeugen dort gefundene alte Waffen und Schädel mit Spuren von Gewalteinwirkung. Der Fund gilt als erster Nachweis von Krieg in Mitteleuropa.

Massengrab 2011 ausgehoben

Aus dem Dreißigjährigen Krieg stammt "eines der Highlights der Ausstellung": Als 1632 zwischen Leipzig und Naumburg die Schlacht von Lützen tobte, gab es an nur einem Tag rund 6.000 Tote zu beklagen. 2011 wurde ein Grab von 47 dort getöteten Soldaten aufwendig gehoben. Der insgesamt 55 Tonnen schwere Erdblock mit sechs mal sieben Meter Grundfläche ist nun zweigeteilt im NHM zu sehen. Anhand dieses "Mahnmals des Krieges", das mit neuen wissenschaftlichen Methoden detailliert untersucht wurde, zeigt man auch, wie die Forschung heute frühere Ereignisse nachzeichnen kann.

In drei neu renovierten Räumen im Narrenturm am Gelände des Alten AKH in Wien-Alsergrund befindet sich der zweite Teil der Sonderschau. Beispielsweise anhand von Objekten aus der pathologisch-anatomischen Sammlung des NHM wird klar, was der Krieg mit seinen Protagonisten macht. Unter dem Titel "Medizin im Ersten Weltkrieg" erhalten Besucher Einblicke in die typischen Verletzungen, die dieser Vernichtungskrieg mit sich brachte.

Flankiert wird die Ausstellung von einem umfassenden Rahmenprogramm in dem Vortragende auch wissenschaftliche Hintergründe zu einzelnen Themen und Funden erörtern. Erstmals bietet das NHM unter www.nhm-wien.ac.at/krieg/blog einen eigenen Ausstellungsblog an. Mit einer Instagram-Fotochallenge unter dem Motto "#NHMlovenotwar" beschreitet das Museum einen weiteren neuen Kommunikationsweg mit den Besuchern. Den besten Beiträgen winken Preise, ein Platz in der Ausstellung und in einem Friedens-Buch.
 

Link zur Ausstellung und Rahmenprogramm: www.nhm-wien.ac.at/krieg
Infos zur Fotochallenge: www.nhm-wien.ac.at/makelovenotwar

 

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12. Oktober 2018

Alles im Aufbau


Es geht voran! Noch 11 Tage, dann ist unsere große Sonderausstellung „Krieg. Auf den Spuren einer Evolution“ eröffnet.
Die Kollegen messen, hämmern und positionieren, damit alle Objekte ihren richtigen Platz bekommen. Anhand dieser zahlreichen historischen Belege soll das Phänomen „Krieg“ greifbar gemacht werden!

Die Forschung hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht: Schlachtfelder und Befestigungen wurden ausgegraben, Massengräber geborgen, unzählige Skelette mit Verletzungsspuren untersucht, Waffen sowie bildhafte Darstellungen und historische Texte analysiert. Archäologische und anthropologische Forschungen lieferten wichtige Erkenntnisse über Kriegsführung und die Folgen der Kriege von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Neuzeit.
 
Die Ausstellung wird in den Sonderschauräumen des NHM Wien im Hochparterre zu sehen sein, die in den nächsten Tagen mit den unzähligen historischen Funden weiter bestückt werden...
 

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03. Oktober 2018

Die erste Anlieferung


Ab. 24. Oktober zeigen wir die Sonderausstellung "Krieg. Auf den Spuren einer Evolution." Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte Halle an der Saale statt und präsentiert eine archäologische Spurensuche, die über 7000 Jahre zurückreicht – bis zu den ältesten Nachweisen von kriegerischen Auseinandersetzungen!
Beim Menschen greifen biologische und kulturelle Evolution stark ineinander. Ironischerweise bringt die schöpferische Kraft, die aus dieser Verbindung entsteht, auch tödliche Waffen hervor. Die Entwicklung vom Werkzeug zur Waffe, vom Zweikampf zum Massenmord, vom mythischen „Helden“ zum namenlosen Soldaten, der als „Kanonenfutter“ dient, ist zentrales Thema der Ausstellung.

Ein "Highlight" der Ausstellung wurde bereits angeliefert und kam beim Fenster herein: das Massengrab aus dem Dreißigjährigen Krieg mit 47 Skeletten von Soldaten! Es stammt aus der Schlacht bei Lützen, 1632, und wurde in zwei großen Blöcken geborgen und akribisch präpariert, damit die ausgehobene Erde mit den Skeletten fixiert ist.
Nun wurden die beiden Blöcke von Halle an der Saale nach Wien transportiert und nach minutiöser Planung mit einem Kran durch die Fenster der Sonderschauräume ins Innere des NHM Wien gehoben. Die Holzverkleidung wurde vorsichtig entfernt und es kamen die Skelette der Soldaten zum Vorschein, die 1632 in einem der blutigsten Kriege ums Leben kamen.
Die zwei Blöcke werden senkrecht aufgestellt und den BesucherInnen präsentiert. Außerdem haben AnthropologInnen und ArchäologInnen Einzelschicksale der Soldaten rekonstruiert, die ebenfalls in der Ausstellung zu verfolgen sein werden.