Medizinisches Personal wird gegen das Sars-CoV-2-Virus geimpft. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance/Bernd Wüstneck)

Medizin

Deshalb kann die Corona-Impfung das Erbgut nicht verändern

Stand
INTERVIEW
Ulrike Till
ONLINEFASSUNG
Christian Burg

Pflegekräfte und Klinikmitarbeiter mit hohem Ansteckungsrisiko haben schon jetzt Anspruch auf eine Coronaimpfung. Doch gerade unter den Pflegekräften sind viele skeptisch. Einige Heime berichten, dass sich nur rund die Hälfte des Personals impfen lassen wollen. Was ist an den Vorbehalten dran? Unsere Medizinredakteurin Ulrike Till im Gespräch.

Bei zwei gen-basierten Impfstoffen mit ganz neuartigem Wirkungsprinzip kann man schon skeptisch werden, oder? 

Klar, als Laie ist man da erstmal misstrauisch. Aber die Sorge ist unbegründet. Das sagen auch alle renommierten Virologen und Impfspezialisten. Es ist zwar alles im Rekordtempo passiert, aber Biontech und Moderna haben keine gefährlichen Abkürzungen genommen. Und die anderen Hersteller in Europa und den USA tun das auch nicht. Die Corona-Impfstoffe, die in Deutschland auf den Markt kommen, haben alle vorgeschriebenen Testphasen durchlaufen. Nur dass die Forscher diesmal Studienphasen parallel durchgeführt haben, statt wie sonst eine nach der anderen. Die Ergebnisse sind aber trotzdem solide.

Entscheidend sind ja die großen Testreihen zur Wirksamkeit. Diese wurden mit 30.000 bis 40.000 Probanden durchgeführt, was in kurzer Zeit schnelle Ergebnisse ermöglicht hat. Aus diesen Studien wissen wir, dass dieImpfstoffe von Moderna und Biontech zu rund 95 Prozent vor Covid-19 schützen. Das ist ein enorm hoher Wert. 

Manch einer fürchtet bei den Impfstoffen zum Versuchskaninchen zu werden.

Ja, das höre ich auch immer wieder. Aber die Forschung an Arzneimitteln mit messenger-RNA ist nicht neu. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen arbeiten schon seit mehr als 20 Jahren daran. Es hat auch schon eine Reihe von klinischen Studien gegeben. Vor allem in der Krebsmedizin ist mRNA schon lange ein Thema. Da gab es bei einer Reihe klinischer Studien keine schlimmen Nebenwirkungen. Dass kein marktreifes Medikament herauskam liegt daran, dass Tumore sich viel schlechter angreifen lassen als Coronaviren. 

Auch bei mRNA-Impfstoffen hatte die Wissenschaft schon ordentlich Vorlauf: Schon vor Jahren liefen Versuche mit Impfstoffen gegen MERS-Coronaviren, auch gen-basierte Tollwut-Impfstoffe wurden getestet. Darauf konnten die Forscher jetzt aufbauen.  

Manche Menschen fürchten, dass ihr Erbgut verändert werden könnte. Ist da was dran? 

Nein, da muss man definitiv keine Angst haben. Die Boten-RNA ändert die Erbinformation der Geimpften nicht. Die Erbinformation steckt ja in der DNA im Zellkern, bis dahin dringt der Impfstoff gar nicht vor. Die mRNA erreicht nur die äußere Zellschicht, und ist im übrigen auch nach rund zwei Tagen wieder vollständig raus aus dem Körper. Dann hat die Boten-RNA ihre Mission erfüllt.

Die mRNA liefert den Bauplan für die stachelige Hülle des Coronavirus, das sogenannte Spike-Protein. Das kann der Körper nach der Impfung dann selber herstellen. Aber eben nur die leere Virushülle, kein aktives Virus. Dagegen bildet der Körper dann neutralisierende Antikörper und schützende T-Zellen. Wenn dann eine echte Infektion passiert, kann der Körper diese Abwehrtruppe gleich mobilisieren.

Frau im Bett mit Kopfschmezen (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance/Jamie Grill)
Die häufigsten Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sind Rötungen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen und Müdigkeit.

Wie sieht es denn mit Nebenwirkungen aus? 

Die gibt es durchaus. Es ist auch wichtig, die Leute vor der Impfung zu informieren. Die Nebenwirkungen können durchaus auch mal unangenehm sein. Sehr häufig sind Rötungen und Schmerzen an der Einstichstelle, das ist aber meist nach kurzer Zeit vorbei. Einige Geimpfte entwickeln auch grippeartige Symptome mit Fieber, auch starke Müdigkeit kann auftreten. Einige Nebenwirkungen sind bei dem Moderna-Impfstoff häufiger als bei Biontech: vor allem Muskel- und Gelenkschmerzen und Schüttelfrost.

Das klingt jetzt vielleicht abschreckend, aber erstens zeigt es, dass das Immunsystem anspringt und Abwehrkräfte gegen Sars-Cov-2 aufbaut. Und zweitens sind diese Nebenwirkungen in der Regel nach zwei bis drei Tagen vorbei. Die Ständige Impfkommission hält beide Impfstoffe für gleichermaßen sicher. Ganz selten haben extreme Allergiker mit einem anaphylaktischen Schock reagiert. Wer schwere Allergien hat, sollte deshalb vorher mit einem Arzt sprechen. Aber wer zum Beispiel nur Heuschnupfen hat, braucht sich nicht zu sorgen. 

Markus Söder plädiert für eine Impfpflicht für Pflegekräfte. Wäre das nicht Wasser auf die Mühlen aller Impfgegner? 

Das könnte natürlich passieren. Aus meiner Sicht ist das aber kein Argument, über eine Impfpflicht für bestimmte Berufe nicht zumindest mal nachzudenken. Das will auch der deutsche Ethikrat nicht ausschließen. Aber im Moment ist das aus Sicht der Ethikrat-Vorsitzenden Alena Buyx noch zu früh. In den Tagesthemen hat sie gesagt, erstmal müsste belegt sein, dass Geimpfte das Virus garantiert nicht mehr weitergeben können. Das ist im Moment noch nicht bewiesen.

Es könnte sein, dass Geimpfte zwar selbst vor einer Erkrankung geschützt sind, sich aber trotzdem infizieren und dann auch noch andere anstecken können. In ein paar Wochen wissen wir dazu wahrscheinlich mehr. Und zweitens, so argumentiert Alena Buyx, müsse man skeptische Pflegekräfte noch viel besser aufklären und informieren, es gibt da offenbar noch erhebliche Wissenslücken. Eine Impfpflicht wäre dann wirklich erst das allerletzte Mittel. 

Stand
INTERVIEW
Ulrike Till
ONLINEFASSUNG
Christian Burg