Katastrophen-Flut in Deutschland: Wer bezahlt den Schaden am Auto?

Hochwasser in Stollberg (Nordrhein-Westfalen): Autofahrer in den Wassermassen

Hochwasser in Stollberg (Nordrhein-Westfalen): Autofahrer in den Wassermassen

Foto: Ralf Roeger/dpa

Gewaltige Wassermassen überfluten den Westen Deutschlands – Ausnahmezustand! Die heftigen Unwetter betreffen natürlich auch Autofahrer. Hochwasser und Überschwemmungen können Fahrzeug und Fahrer gewaltig zusetzen.

Wie verhalten Sie sich richtig? Was tun, wenn das Auto von den Fluten erfasst wurde? Und wer bezahlt den Schaden am Auto?

BILD gibt Fahrtipps und klärt die wichtigsten Fragen.

▶︎ Was gilt beim Fahren in Hochwassergebieten und bei Starkregen?

Grundsätzlich gilt: wenn Sie im Katastrophengebiet wohnen und keine wichtigen Termine drängen, lassen Sie das Auto stehen und bleiben Sie zu Hause!

▶︎ Wenn Sie unbedingt fahren MÜSSEN, hier wichtige Tipps:

– Tempo drosseln, extrem vorausschauend fahren, viel Abstand zum Vordermann halten. Rechnen Sie mit unvorhergesehenen Hindernissen wie tiefen Pfützen oder weggeschwemmten Straßen. Überholvorgänge möglichst vermeiden. Wenn doch, äußerst vorsichtig.

– Bei nasser und rutschiger Fahrbahn verschlechtert sich der Grip der Reifen. Der Bremsweg wird länger, außerdem besteht die Gefahr von Aquaplaning. Wer mit zu geringem Abstand oder profillosen Reifen unterwegs ist, muss bei einem Unfall mit Nachteilen bei der Versicherungszahlung rechnen.

– Überschwemmte Straßen nur im Notfall und nicht zu schnell befahren. Beachten Sie: oft ist schwer einzuschätzen, wie tief das Wasser wirklich ist! Also im Zweifel lieber einen sicheren Umweg nehmen.

– Wegen der Extremwetterlage kommt es auch an einigen Stellen zu Sperrungen. Der ADAC informiert aktuell über Behinderungen im Straßenverkehr.

Heftig! Hier hat ein Nebenfluss der Ahr bei Schuld (Rheinland-Pfalz) die L73 unterspült und die Straße weggerissen

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Foto: Karsten Socher Fotografie / www.KS-Fotografie.net

▶︎ Wie tief darf das Wasser maximal sein, um noch durchfahren zu können?

Als Richtwert gilt die Wat-Tiefe. Dabei wird der Abstand zwischen dem untersten Punkt des Reifens und dem Luftansaugsystem des Motors gemessen. Die Wat-Tiefe gibt an, wie tief ein Gewässer höchstens sein darf, damit das Fahrzeug es durchqueren kann, ohne Schaden zu nehmen. Konventionelle Pkw (auch die meisten SUV) seien nur für eine maximale Wassertiefe von rund 20 bis 25 Zentimetern bei langsamer Geschwindigkeit ausgelegt, so der ADAC.

Bei zu tiefem Wasser wird es schnell kritisch! Über den Ansaugstutzen kann Wasser in den Motor gelangen. Gerät der Motor ganz oder teilweise unter die Wasseroberfläche, drohen Risse im Motorblock oder Zylinderkopf. Wenn der Wagen nicht läuft: Finger weg von der Zündung!

▶︎ Gehen von Elektroautos bei Hochwasser besondere Gefahren aus?

Benedikt Griffig, Leiter Technologie Kommunikation bei VW zu BILD: „Im Wasser besteht durch das Hochvolt-System eines Elektrofahrzeugs grundsätzlich kein erhöhtes Stromschlagrisiko oder eine Personengefährdung. Da Elektroautos keine Luft für die Verbrennung ansaugen wie Fahrzeuge mit herkömmlichen Motoren, verfügen sie theoretisch sogar über eine höhere Wat-Tiefe. Sollte das Hochvolt-System mit Wasser in Berührung kommen, wird es sofort abgeschaltet.“

Hochwasser in Kordel bei Trier: hier kommen nur noch Spezialfahrzeuge sicher durch die Fluten

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Foto: Simon Mario Avenia

▶︎ Wer zahlt den Schaden, wenn ein Auto bei einer Wasserdurchfahrt absäuft?

Die Faustregel für Wasserschäden am Auto lautet: Kommt das Wasser zum Auto, zahlt die Kaskoversicherung, kommt das Auto zum Wasser, muss der Autobesitzer selbst aufkommen!

Natürlich kommt es aber immer auch auf den Einzelfall an. War die überflutete Stelle für den Fahrer nicht erkennbar, haben einzelne Gerichte auch schon entschieden, dass in diesem Fall die Teilkasko greift.

Meist stufen die Richter solche Schäden aber als Vollkasko-Fälle ein. Das gilt erst recht, wenn die Überschwemmung als solche erkannt wurde. Dann wird immer auch geprüft, ob der Fahrer grob fahrlässig handelte. Bei grober Fahrlässigkeit kann der Versicherer die Zahlung je nach Verschulden kürzen. Lediglich Haftpflicht-Versicherte gehen bei einem Wasserschaden leer aus.

Mutig! Bevor Sie Auto durch eine solche Pfütze fahren, sollten Sie über eine Alternativroute nachdenken

Mutig! Bevor Sie Ihr Auto durch eine solche Pfütze fahren, sollten Sie über eine Alternativroute nachdenken

Foto: imago images/Fotostand

▶︎ Mein am Straßenrand parkendes Auto würde überschwemmt. Was soll ich jetzt tun?

Wer sein Auto mit Wasser vollgelaufen vorfindet, informiert am besten umgehend seine Kfz-Versicherung. Außerdem sollten zur Dokumentation Fotos gemacht werden.

Wichtig: Niemals einen Motor starten, der zuvor überschwemmt war! Wasser in den Zylindern oder der Ölwanne könnte für nachhaltigen Schaden sorgen. Auch wenn der Motor anspringt, ist die Gefahr noch nicht gebannt. Gelangt Wasser in den Ölkreislauf, drohen Kolbenfresser und Kurbelwellenschaden. In so einem Fall hilft nur der Abschleppdienst.

Ist noch was zu retten? Jetzt nur nicht den Motor starten, weil Wasser eingedrungen sein könnte

Ist noch was zu retten? Jetzt nur nicht den Motor starten, weil Wasser eingedrungen sein könnte

Foto: Kraftfahrzeuggewerbe/AdobeStock

▶︎ Mein Auto ist nach dem Sturzregen in einer Tiefgarage/einer Unterführung vollgelaufen. Zahlt hier die Versicherung?

Ja. Die Kfz-Teilkaskoversicherung übernimmt die finanziellen Folgen eines Überschwemmungsschadens. Rechtlich liegt eine Überschwemmung vor, wenn Wassermassen (wie bei einem Sturzregen) nicht normal abfließen können und „normalerweise nicht in Anspruch genommenes Gelände“ überfluten.

▶︎ Was ist, wenn der Wagen trotz Warnungen in einem hochwassergefährdeten Bereich abgestellt wurde?

Prinzipiell muss eine Kaskoversicherung auch Schäden durch Hochwasser in einem Hochwassergebiet ersetzen. Der Geschädigte bekommt allerdings Probleme, wenn er diesen Schaden zumindest grob fahrlässig mitverursacht hat.

Ein Grenzfall wäre, wenn jemand beispielsweise sein Auto auf einem Parkplatz abgestellt hat, obwohl absehbar war, dass er überflutet wird. Dies könnte als grobe Fahrlässigkeit ausgelegt werden, der Halter würde dann leer ausgehen.

▶︎ Kann ein überschwemmtes Auto trockengelegt werden?

Die gute Nachricht: Einem überschwemmten Auto droht nicht unweigerlich der Schrottplatz. So rät der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) Betroffenen dazu, in jedem Fall den Rat einer Werkstatt einzuholen. Nur die kann wirklich klären, ob man es mit einem Totalschaden oder einer Sanierung zu tun hat.

Zeitwert des Autos, der Schweregrad der Überflutung und die Menge des Schmutzes, den das Hochwasser ins Auto gespült hat, entscheiden darüber, ob eine Trockenlegung sinnvoll ist.

ACHTUNG: Schon das Einschalten der Zündung oder anderer Verbraucher kann einen Kurzschluss verursachen. Die Batterie muss daher möglichst rasch abgeklemmt werden. Am besten schickt man den gefluteten Wagen per Abschlepper in die Werkstatt.

Dieser Wagen im Kreis Ahrweiler wurde von den Wassermassen erfasst und weggespült. Hier liegt wohl ein Totalschaden vor

Dieser Wagen im Kreis Ahrweiler wurde von den Wassermassen erfasst und weggespült. Hier liegt wohl ein Totalschaden vor

Foto: Thomas Frey/dpa

Der ADAC unterteilt die Wasserschäden in drei Stufen:

► Geringe Schäden: Bei einem Wasserstand bis etwa Mitte der Stoßfänger ist der Innenraum noch trocken, die Schäden fallen meistens gering aus.

Unbedingt in der Werkstatt Lenkgetriebe, Betriebs- und Feststellbremse, Gelenke der Antriebswellen und Radlager prüfen lassen. Je nach Modell sind wichtige Motorteile sehr tief angebracht, etwa die Lichtmaschine, Anlasser oder andere Funktions-Bauteile. Auch hier sollte eine genaue Überprüfung stattfinden.

Feuchte Textilverkleidungen im Innenraum sollte man übergangsweise mit saugfähigem Papier unterfüttern. War das Wasser allerdings stark verschmutzt, hilft meist nur noch Ersatz.

Mittlere Schäden: Steht das Wasser über den Türschwellern und im Innenraum, wird der Schaden mittel bis hoch ausfallen.

Bevor Sie aus den Fluten steuern: Startversuche sollte man NUR dann unternehmen, wenn absolut ausgeschlossen werden kann, dass sich Wasser im Verbrennungsluft-Ansaugtrakt befindet! Eine Trockenlegung des Fahrzeuges alleine reicht nicht unbedingt, so die Experten des ADAC. Rest-Feuchtigkeit aus Kabelbäumen und Steckern zu entfernen ist sehr viel Arbeit, Störungen im späteren Fahrbetrieb sind zu erwarten.

Auch die Innenraum-Reinigung stößt bei diesem Schaden meist an ihre Grenze! Schmutz hat sich dann in der Regel unter Bodenbelägen und Dämmmatten festgesetzt, Tür- und Seitenverkleidungen sowie Bodenteppich sind aufgeweicht. Im Normalfall braucht man neue Bauteile. Holen Sie sich hier lieber einen Kostenvoranschlag von der Werkstatt.

Ein zerstörtes Auto liegt in der Ahr in dem Ort Schuld im Kreis Ahrweiler

Ein zerstörtes Auto liegt in der Ahr in dem Ort Schuld im Kreis Ahrweiler

Foto: Thomas Frey/dpa

Profis sollten die Hohlräume und das Innere der Türschweller auf Nässe und Schmutz sowie alle im Bodenbereich des Innenraums platzierten Funktions-Bauteile kontrollieren. Der ADAC empfiehlt in solchen Fällen sogar, sicherheitsrelevante Teile (z.B. Gurtstraffer, Gurtaufrollautomaten) zu tauschen.

Wie teuer kann das alles werden? Der ADAC hat es vor längerer Zeit mit einem „nur“ bis zur Sitzfläche vollgelaufenem Opel Vectra ausprobiert. Die Behebung aller Schäden durch Fachkräfte hätte deutlich über 10 000 Euro gekostet.

Gravierende Schäden: Nahezu irreparabel sind Schäden, wenn das Wasser bis zur Fensterunterkante reicht.

Hier ist kaum noch was zu retten. Der ADAC rät, auf eine Detail-Kalkulation des Schadens zu verzichten: „Nach derart hohen Pegelständen muss nahezu immer von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgegangen werden.“

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind nahezu alle elektrischen und elektronischen Bauteile geschädigt, Wasser in Motor und Getriebe gelangt. Selbst die sehr aufwändige Elektronik-Bestückung hinter dem Armaturenbrett kann zerstört sein.

Bei diesem BMW im Wuppertaler Ortsteil Beyenberg steht das Wasser fast bis zur Fensterkante

Bei diesem BMW im Wuppertaler Ortsteil Beyenberg steht das Wasser fast bis zur Fensterkante

Foto: David Young

Bei kaskoversicherten Fahrzeugen zählt das Urteil des Sachverständigen, so der ADAC. Ohne Versicherung wird man sein Auto retten wollen, doch selbst gründlichste Reinigungsmaßnahmen bleiben wahrscheinlich „Kosmetik".

Schaffen Sie sich einen Überblick über den Zeitwert (Wert des Fahrzeugs ohne Beschädigungen) des Autos und rechnen Sie Reparaturkosten gegen diesen Wert auf. Eventuell müssen Sie Abschied von Ihrem Auto nehmen. Bei der Ermittlung des Zeitwerts hilft der ADAC-Gebrauchtwagenrechner.

▶︎ Wann liegt ein Totalschaden vor?

Wenn das Fahrzeug gar nicht mehr – oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand – zu reparieren ist, spricht man vom technischen Totalschaden. Daneben gibt es auch den wirtschaftlichen Totalschaden.

Dieser liegt vor, wenn die Reparaturkosten teurer wären als der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des beschädigten Autos. In diesem Fall muss der Versicherer die Reparatur nicht bezahlen!

Rechenbeispiel: Ein Auto hat einen Wiederbeschaffungswert von 10 000 Euro. Dessen Restwert ist durch ein Hochwasser auf 4000 Euro gesunken. Die Reparaturkosten würden jedoch 7000 Euro betragen. Dann würde die Versicherung nur 6000 Euro ausbezahlen (Wiederbeschaffungswert minus Restwert) und nicht die vollen Kosten für die Reparatur übernehmen.

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