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Ryanair soll beim Gewicht geschummelt haben

Weihnachtsmänner-Aktion vor einem Ryanair-Jet: Schwere Vorwürfe gegen die Airline Weihnachtsmänner-Aktion vor einem Ryanair-Jet: Schwere Vorwürfe gegen die Airline
Weihnachtsmänner-Aktion vor einem Ryanair-Jet: Schwere Vorwürfe gegen die Airline
Quelle: dpa
Hat der Billigflieger permanent Gebühren hinterzogen? Der Billigflieger soll das Startgewicht mit 67 Tonnen je Flug häufig zu niedrig angegeben haben – zum Nachteil der Flughafenbetreiber.

Es geht um acht Tonnen. Dieses Gewicht wird zum Politikum, mit möglicherweise erheblichen finanziellen Folgen für den irischen Billigflieger Ryanair.

Dieser hat gegenüber den nationalen Luftfahrtbehörden der EU-Länder, hierzulande ist es die Deutsche Flugsicherung (DFS), das Gewicht seiner Flieger mit exakt 66.990 Kilogramm deklariert.

Bestätigt wird dieser Einheitswert auch vom Schweizer Branchendienst JP Airline Fleet International für die gesamte Flotte von 300 Boeing 737-800-Passagiermaschinen der Iren.

Eine Serie von Inspektionen von Flügen in Frankfurt-Hahn und Bremen haben ergeben, dass das von Ryanair angegebene einheitliche Startgewicht von 67 Tonnen je Flug in allen Fällen überschritten worden sei. Mal um sechs Tonnen, in aller Regel aber um knapp acht Tonnen, wie aus den Prüfunterlagen hervorgeht.

Damit war zwar die Sicherheit der Flüge nicht gefährdet, denn Hersteller Boeing hat die 737-800 für diese und weitere Gewichtskategorien zugelassen. Wohl aber haben die bei den Kontrollen ermittelten Werte möglicherweise gegen die offizielle Gebührenverordnung verstoßen. Dieser zufolge wird für die Berechnung der Abflug- und Überflugabgaben immer das höchste zulässige und amtlich registrierte Startgewicht zum Maßstab gemacht.

Bei Ryanair sind es 75 Tonnen, beziehungsweise laut Nachweis der für die Fluglinie zuständigen Irish Aviation Authority exakt 74.990 kg je Flieger. Der „Welt“ vorliegende Unterlagen belegen diese Zahl.

Mangelhafte Koordinierung?

Dass diese Diskrepanzen bei den Gewichtsangaben erst durch die Kontrollen vor Ort aufgedeckt wurden, könnte an der mangelnden Koordination der nationalen Luftfahrtämter liegen. So hat die deutsche DFS beispielsweise keine rechtliche Handhabe, an die Daten aus dem Luftfahrtregister der irischen Behörde heranzukommen.

Insofern verlassen sich die DFS ebenso wie ihre Schwesterorganisationen in den anderen EU-Ländern sowie die für die Sicherheit des europäischen Luftraums zuständige Eurocontrol auf die Angaben der Airlines. Im Falle von Ryanair offenbar zum eigenen Nachteil.

Die nach den Inspektionen in Hahn und Bremen erfolgten Berechnungen ergeben, dass der deutschen Behörde durch die niedrige Gewichtsangabe der Fluglinie pro Start von Bremen, Lübeck oder Leipzig 17 Euro an Gebühren entgangen sein könnten. Klingt nicht dramatisch.

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Doch bei durchschnittlich fünfzig Deutschlandflügen der Iren pro Tag wären es bereits 850 Euro. Hochgerechnet auf ein Jahr beliefe sich die Fehlsumme auf 370.000 Euro, inklusive der fälligen Mehrwertsteuer.

Die in Dublin heimische Ryanair ist der größte europäische Billigfluganbieter. Derzeit befördert die Linie rund 79 Millionen Passagiere pro Jahr. Zum Geschäftsmodell der Gesellschaft gehört die Nutzung von Flughäfen in Randlage, etwa Lübeck, Memmingen, Weeze oder Hahn. Weil Ryanair den Airports zahlreiche Passagiere zuführt, erhält sie dort vielerlei Unterstützungen.

Die Abhängigkeit von Ryanair

Diese Abhängigkeit vieler Flugplätze vom Verkehr der Gesellschaft wäre eine Erklärung, warum sich die Betreibergesellschaften bisher nicht gegen das geringe Startgewicht zur Wehr gesetzt haben. Auch ihnen entginge damit zwar Geld. Aber wer dagegen protestierte, könnte den Zorn des mächtigen Ryanair-Chefs Michael O’Leary auf sich ziehen, mit der Streichung von Strecken aus dem Flugprogramm als Konsequenz.

Das dürfte im Falle von Eurocontrol anders laufen. Die Organisation wäre weit härter als der deutsche Fiskus von einer Gebührenschummelei des irischen Discounters betroffen, denn sie kontrolliert große Teile des oberen Luftraums über Europa. Ein Beispielsfall illustriert dies: So sparte Ryanair auf der Strecke von Bremen nach Mailand dank der niedrigen Gewichtsangabe der Flieger 80 Euro ein.

Bei 1500 Flügen im europäischen Luftraum und teilweise daran angrenzende Länder pro Tag kämen gewaltige Summen zustande. Zusammen mit den Einsparungen bei den nationalen Ämtern beliefe sich der Gesamtbetrag pro Jahr auf rund 50 Millionen Euro, haben Experten jetzt nachgerechnet. Auf Nachfrage wollte sich die Airline zu den Vorwürfen nicht äußern.

Unternehmenssprecher Stephen McNamara verwies darauf, dass Ryanair zu Spekulation grundsätzlich keine Stellung nehme. Gebührenangelegenheiten würden direkt mit den jeweiligen Luftfahrtämtern und Eurocontrol besprochen.

Deutlicher wurde DFS-Sprecher Axel Raab. Er bestätigte, dass sämtliche von seinem Haus erhobenen Gebühren auf der Grundlage der von Ryanair angegebenen 67 Tonnen pro Abflug berechnet würden. Als Ergebnis der Kontrollen in Frankfurt-Hahn und Bremen aber seien sie erhöht und dem Maximalwert von 75 Tonnen angepasst worden.

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Zugleich verwies Raab darauf, dass die Hausjuristen der DFS den Vorgang prüften. Sollte sich der Verdacht auf permanente Gebührenhinterziehung durch Ryanair bestätigen, werde seine Organisation rechtliche Schritte einlegen.

Notfalls per Gerichtsentscheidung will sich die DFS dann die vorenthaltenen Gelder nachträglich von dem Billigflieger vergüten lassen.

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