Brüssel/Wien – In die laufende Wahlkampfdebatte zu angeblicher Überbürokratisierung und Brüsseler "Regelungswahn", wie Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte, hat sich am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingeschaltet: "Ich finde, dass diese Anwürfe gegen die Europäische Union völlig daneben sind", sagt der Luxemburger im Exklusivinterview mit dem STANDARD.

Anders als in Wien behauptet werde, habe seine Behörde sich entsprechend dem Auftrag der Regierungschefs reformiert und "abgespeckt", erklärte der Kommissionspräsident. Auch von einer Regelungswut könne keine Rede sein. Seine Kommission habe die Zahl der Gesetzesinitiativen deutlich reduziert. Zwar glaube er, dass Kurz "ein überzeugter, stetiger Europäer ist", aber er "finde es nicht gut, dass er, der für Europa steht, sich jetzt dem Chor der gegnerischen Stimmen anschließt".

Juncker ist wie Kurz und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber als Christdemokrat Mitglied derselben Parteienfamilie. Seine Kritik am Kanzler ist ungewöhnlich scharf. Wörtlich spricht er von "Teilzeiteuropäern", die nur dann für Europa seien, wenn es ins nationale Konzept passe. Juncker warnt davor, mit den Rechtspopulisten auf EU-Ebene zu kooperieren, um sich die Macht zu sichern: "Dann würde ich meine Partei in Luxemburg auffordern, die EVP zu verlassen."

STANDARD: Sie waren schon im Wahlkampf 1984 Kandidat für ein Mandat im Europäischen Parlament. Die damalige EWG steckte in einer tiefen Krise, der "Eurosklerose", wegen der agrarischen Überproduktion, der hohen Kosten. Sind wir heute wieder in einer solchen Identitätskrise?

Juncker: Die Eurosklerose war das Hauptthema, schon beim EU-Gipfel 1983 vor den Wahlen, unter dänischer Präsidentschaft. Und was ist daraus geworden? Aus ihr ist der Binnenmarkt hervorgegangen, später wurde daraus die Wirtschafts- und Währungsunion, dann die Erweiterung. Man sollte sich also nicht auf vereinfachende Darstellungen der Leitartikler verlassen, die immer nur von der Krise reden.

STANDARD: Gab es damals diese Spaltung der Gemeinschaft, den Rechtspopulismus, so wie heute?

Juncker: Nein, der Konflikt ging um die Agrarpolitik. Es war ein Hinweis darauf, dass es im gemeinsamen Europa keine Fortschritte gab. Helmut Kohl hat diese Debatte der Eurosklerose dann beendet.

STANDARD: Er war im Jahr davor deutscher Bundeskanzler geworden.

Juncker: Kohl ist nach Kopenhagen gefahren und hat gesagt: "Schluss mit diesem Lamentieren." Die Themenlage war eine andere als heute. Es waren interne Probleme der Union, die damals noch Wirtschaftsgemeinschaft hieß. Ich denke manchmal daran, wenn ich heute lese, dass sich Europa angeblich in der massivsten Krise befinden soll, die es jemals gab. Das ist nicht so.

STANDARD: Wurde die Union als solche bereits grundsätzlich infrage gestellt?

Juncker: Es gab damals schon da und dort im nationalen Denken das Bemühen, das Europäische zurückzudrängen. Und es gab den Widerstand der Proeuropäer dagegen, um an der Einigung weiterzuarbeiten. Aber niemand kam auf die Idee, Europa zu verlassen. Das ist mit dem Brexit heute die eigentlich neue Lage.

STANDARD: Es gibt auch starke Tendenzen von politischen Kräften, die die Union gerne wieder zerschlagen würden, insbesondere bei den Rechtspopulisten.

Juncker: Die gab es auch damals. Aber die haben sich nicht so prominent in den Vordergrund drängen können. Der Hauptunterschied zu heute ist, dass es damals keine Zäsurbestrebungen gab. Neu ist auch, dass selbst im Kreise der Regierungschefs Zweifel an der Union aufkommen. Das hat es damals nicht gegeben. Die Hauptakteure blieben am Ball. Das Ziel "Nicht mehr Europa, aber ein effizienteres Europa" – das war damals schon wie heute das Thema, das es zu behandeln gilt.

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STANDARD: Das sagt auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz oft und gerne. Es gibt offenbar Regierungschefs, die fest zum Projekt Europa stehen, die nicht wackeln, und auf der anderen Seite das Lager der Rechtspopulisten, die eine Zäsur wollen. Und dazwischen einige, die sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite hinbewegen. Wo steht dabei Kurz?

Juncker: Ja, das ist so, nicht nur auf Ebene der Regierungschefs, sondern auf allen Ebenen. Es gibt Vollzeiteuropäer, und es gibt Teilzeiteuropäer. Die Hurra-Europäer gibt es nicht mehr, und das ist auch gut so. Aber es gibt auf der Ebene des Ministerrates diese Teilzeiteuropäer. Sie sind für Europa, wenn es ihnen passt, und wenn es ihnen nicht passt, sind sie dagegen.

STANDARD: Das Bekenntnis zu Europa hat dann vor allem eine strategische Funktion?

Juncker: Wenn es ihnen ins nationale Konzept passt, sind sie dafür. Aber wenn es Mühe kostet, sich auf die europäische Schnittmenge zuzubewegen, auf die EU-Partner zuzugehen, dann sind sie dagegen. Das ist neu.

STANDARD: Trifft das auch auf Kurz zu? Es gibt seit Tagen in Österreich eine große Debatte darüber, weil der Kanzler sich einer Sprache über die EU bedient hat, wie man das bisher nur von der FPÖ gehört hat. Er sprach vom "Regelungswahn" in Brüssel, der Überbürokratisierung, er will tausend EU-Vorschriften streichen. Was sagen Sie dazu?

Juncker: Ich denke mir, dass Kurz ein überzeugter, stetiger Europäer ist. Er schließt sich jetzt aber der Themensetzung derer an, die das europäische Tun und Lassen zwar nicht infrage stellen, aber massiv bemängeln. Ich habe seine jüngsten Aussagen über Agenturmeldungen mitgekriegt. Ich finde es nicht gut, dass er, der für Europa steht, sich jetzt dem Chor der gegnerischen Stimmen anschließt.

STANDARD: Welche Stimmen sind gemeint?

Juncker: Diese Vorwürfe, dass das gemeinsame Europa überbürokratisiert sei. Das mag vielleicht zum Teil stimmen. Aber dass wir uns als Kommission in das tägliche Leben der Menschen zu sehr einmischen, das ist ein Vorwurf, den ich nicht nachvollziehen kann. Wir tun in Wahrheit massiv weniger als frühere EU-Kommissionen, was Regelungen betrifft.

STANDARD: Hat der Kanzler Sie darauf direkt angesprochen?

Juncker: Der Vorwurf kam für mich überraschend. Bei seinem ersten Antrittsbesuch hier in Brüssel hat der Bundeskanzler mich sogar dafür gelobt, dass wir weniger regulieren und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Und ich kann sagen, dass das so geblieben ist. Wir haben unter meiner Führung seitens der Kommission 75 Prozent weniger Gesetzesvorschläge gemacht als unsere Vorgänger. 134 Vorschläge haben wir vollständig zurückgezogen, 150 Vorschläge vereinfacht.

STANDARD: Kurz hat beim Antreten seiner Regierung vor allem das Thema Subsidiarität in den Vordergrund gerückt, dass also nur das auf EU-Ebene geregelt werden soll, was auf unteren Ebenen in den Ländern und Regionen nicht besser geregelt werden kann. Sie haben ihm eine Prüfung zugesagt, was kam heraus?

Juncker: Ich hatte bereits vor dem Amtsantritt von Sebastian Kurz eine Gruppe eingesetzt in Sachen Subsidiarität. Da war dann auch ein Österreicher dabei, Herr Lopatka.

STANDARD: Reinhold Lopatka, Abgeordneter der ÖVP und Europasprecher.

Juncker: Diese Taskforce, der er angehörte, hat keinen einzigen Vorschlag gemacht, was man auf die nationale Ebene zurückverlagern könnte, in 18 Monaten nicht. Insofern bin ich da absolut überrascht, dass man jetzt sagt, 1.000 EU-Gesetze müssen zurückgezogen werden.

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STANDARD: Das hat EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber auch in seinem Wahlprogramm.

Juncker: Wahlprogramme sind Wahlprogramme, ich will das nicht kleinreden. Aber auch diese Gruppe zur Subsidiarität hat keinen Vorschlag gemacht, wie man 1.000 EU-Gesetze auf die nationale Ebene zurückverlagert. Kurz hatte in Bregenz eine Subsidiaritätskonferenz einberufen. Mir ist nicht bekannt, dass man dort 1.000 bestehende EU-Gesetze identifiziert hätte, um sie zu streichen.

STANDARD: Warum macht Kurz das?

Juncker: Ich habe mit der Analyse meiner eigenen Psychologie genug zu tun, ich kann mich nicht noch um die Psychologie anderer kümmern. Ich finde, dass diese Anwürfe gegen die Europäische Union völlig daneben sind. Es trägt den Tatsachen nicht Rechnung, dass wir uns in den vergangenen fünf Jahren dabei zurückgenommen, weniger Vorschläge gemacht haben und den Verwaltungsaufwand deutlich gesenkt haben.

STANDARD: Wovon sprechen wir konkret? Lässt sich das mit Zahlen belegen?

Juncker: Die EU-Verwaltung hat einen massiven Einsparungsziel- und Kürzungsprozess hinter sich. Dank einer Reform aus dem Jahr 2004 werden bis 2020 acht Milliarden Euro eingespart sein. Gehälter wurden eingefroren, die Arbeitszeit der Beamten wurde verlängert, der Personalstand wurde zwischen 2013 und 2017 um fünf Prozent gekürzt. Und dabei werden ständig neue Aufgaben an die Union herangetragen, zuletzt beim Europäischen Rat am Donnerstag, bei der Migration, Sicherheit, Verteidigung, Afrika-Politik. Ich könnte Ihnen eine lange Liste vortragen.

STANDARD: Kennt die Regierung in Wien diese Zahlen nicht?

Juncker: Wieso jemand, der das alles wissen müsste, sich jetzt in einer derart offensiven Art und Weise in die Europadebatte einbringt, verstehe ich nicht.

STANDARD: Was viele Beobachter in Österreich irritiert, ist der Umstand, dass Kurz ausgerechnet die Acrylamidverordnung herangezogen hat, die krebserregende Stoffe eindämmen soll, als Beispiel der Überregulierung bei Schnitzel und Pommes frites.

Juncker: Eine Verordnung, der Österreich übrigens zugestimmt hat. Schizophrenie kann man behandeln, bewusste Schizophrenie nicht. Und natürlich verbietet diese Verordnung weder Schnitzel noch Pommes frites.

STANDARD: Glauben Sie, dass es wahltaktische Gründe sind, die den ÖVP-Chef dazu bringen, weil er Stimmen aus dem rechten Lager abziehen will?

Juncker: Ich würde mich zu so einer Aussage nicht versteigen wollen.

STANDARD: Sie haben einander erst vor wenigen Tagen beim EU-Gipfel in Sibiu getroffen, ist da nicht darüber geredet worden?

Juncker: Ich habe dort vorgetragen, dass die EU schmaler geworden ist, dass wir weniger auf die Regelungen im Alltag Einfluss nehmen. Ich habe auch gesagt, dass wir 75 Prozent weniger Gesetzesvorschläge gemacht haben, dem hat niemand widersprochen. Ich habe auch gesagt, dass ich mir wünsche, die nächste Kommission solle so bescheiden sein bei den Gesetzesvorschlägen wie die meine.

STANDARD: Man muss zugunsten von Kurz aber auch sagen, dass er mit seinen Aussagen etwa zu schlankeren EU-Budgets nicht allein ist. Der niederländische Premier Mark Rutte hat sich zum Vorschlag des langfristigen Budgetrahmens für 2020 bis 2027 ebenso kritisch geäußert.

Juncker: Auch zu diesem Thema habe ich vorgetragen, dass der Rat die Prioritäten festgelegt hat, dass wir das ernst nehmen müssen. Wenn wir das tun, können wir an bestehenden Politiken nicht so einfach festhalten. Man muss Kürzungen vornehmen, vor allem bei im Agrarbereich und bei den Kohäsionsmitteln. Würden wir das nicht tun, alles beibehalten und die neuen Aufgaben dazurechnen, kämen wir auf EU-Ausgaben von 1,4 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Dem hätte kein Mitgliedsland zugestimmt. Insofern mussten wir mal stramme, mal leichtere Kürzungen vornehmen. Das haben wir im Vorschlag zur nächsten Finanzperiode getan. Dem widerspricht eigentlich niemand.

STANDARD: Am Ende der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wurde die Regierung sogar besonders dafür gelobt, dass sie den technischen Rahmen für die Budgetrahmen Verhandlungen im Herbst zu einem guten Abschluss brachte. Steht das wieder infrage?

Juncker: Die österreichische Regierung hat während ihrer EU-Ratspräsidentschaft jedenfalls die Verhandlungsgrundlage festgelegt, das ist eine große Leistung.

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STANDARD: Befürchten Sie nach den Kurz-Aussagen, dass Österreich als verlässlicher Partner in Brüssel wegbrechen könnte, so wie andere populistische Regierungen in der Nachbarschaft?

Juncker: Ich hoffe nicht, dass dem so wäre, dass das so sein wird. Ich vertraue Sebastian Kurz, dass er auf einem klaren proeuropäischen Kurs bleibt. Aber was ich nicht so sehr mag, ist, dass er in den Marginalien Bemerkungen macht, die den Eindruck erwecken könnten, als ob er Wortgebungen anderer übernehmen würde. Das Kleine wird groß gemacht, und das Große wird klein gemacht.

STANDARD: Manche sehen den Kanzler schon ins Lager der Antieuropäer abdriften, Sie auch?

Juncker: Ich kann mir Kurz im Lager der Antieuropäer nicht vorstellen. Er hat ein Regierungsprogramm, das eine klare proeuropäische Handschrift trägt. Das ist ihm im Übrigen hoch anzurechnen, eine innenpolitische Leistung, dass er das geschafft hat. Aber ich bemängle, dass er mit seinen Aussagen den Eindruck erweckt, als würde er das, was meine Kommission getan hat, nicht zur Kenntnis nehmen. Wir haben deshalb abgespeckt. Es ist ein bleibendes europäisches Thema, dass Regierungen in Brüssel etwas gemeinsam beschließen, was zu Hause dann nicht so vermittelt wird.

STANDARD: Aber hat Kurz jenseits der sprachlichen Zuspitzungen nicht doch auch einen Punkt, dass die Union in manchen Bereichen vieles besser machen müsste, den Ländern da und dort mehr Freiheiten einräumen?

Juncker: Man muss es zu Ende denken. Wenn Österreich nicht Mitglied des Europäischen Binnenmarktes wäre, müsste es ja im Bereich der Lebensmittelsicherheit eigene Regeln erlassen. Weil wir aber einen gemeinsamen Markt haben, muss man das gemeinsam machen. Insofern gibt es keine Brüsseler Regulierungswut, sondern eine Regulierungsnotwendigkeit in vielen Bereichen. Das darf man nicht gleichstellen mit Bevormundung. Wenn wir gemeinsame Regelungen erlassen, werden sie oft auf nationaler Ebene verschärft. Das war aber nicht Brüssel. Wenn man zu denselben Bedingungen Wirtschaft betreibt, ist das vor allem für die kleinen Länder von Vorteil.

STANDARD: Die Regierung Kurz setzt auch in anderen Bereichen stärker auf nationale Regelung, etwa bei der Presse- und Meinungsfreiheit. So soll es in Zukunft eine Ausweispflicht für alle geben, die sich auf Plattformen von Medien beteiligen, etwa als Poster. Das wird als Maßnahme gegen Hass im Internet verkauft. Es käme einer Art "privatisierter Vorratsdatenspeicherung" gleich, ein Thema, bei dem der EuGH bisher sehr streng war. Was sagt die Kommission dazu?

Juncker: Welche Art von Ausweispflicht?

STANDARD: Jeder muss Name, Adresse, Telefondaten hergeben, um in Foren im Internet mitreden zu können, als Präventivmaßnahme, weil er oder sie eine Straftat begehen könnte. Es soll sich also niemand mehr anonym äußern können. Die Verleger müssen diese Daten verwalten und für die Datensicherheit sorgen.

Juncker: Mir ist der Fall, den Sie nennen, nicht bekannt. Aber generell verfolge ich Presseangelegenheiten in Österreich. Die jüngste Geschichte zum Beispiel der Kurz-Regierung hat mich einigermaßen umgetrieben, weil ich doch den Versuch sehe, Menschen mundtot zu machen. In sozialen Medien bin ich nicht unterwegs. Manchmal legt man mir etwas vor, aber ich werfe es gleich wieder weg. Ich muss mir nicht jeden Tag anlesen, was dort so alles behauptet wird. Das brauche ich nicht. Die Pressefreiheit ist allerdings ein höheres Gut in demokratisch verfassten Regierungssystemen. Man muss sich wehren. Ich bin aber auch dafür, dass man gegen Hasstiraden angeht.

STANDARD: Das passiert ja auch in seriösen Medien. Da gibt es klare Verhaltensregeln, das Medien- und Strafrecht gilt ohnehin, und wer dagegen verstößt, wird angezeigt oder gelöscht. Foren werden moderiert.

Juncker: Also wenn eine Redaktion ein solches Ausleseverfahren zur Geltung bringt, ist das ein absoluter Fortschritt und nachahmenswert. Ich finde, die seriöse Presse muss auch gegen Fake-News, gegen Unterstellungen und Anwürfe ankämpfen. Das wird auf Dauer dazu beitragen, dass die wirklich seriösen Medien wieder mehr Einfluss erlangen, den sie verloren haben durch den Irrsinn, der in den sozialen Netzwerken tobt.

STANDARD: Ist es problematisch, wenn eine Regierung versucht, sich Zugriff auf offene Foren zu schaffen, man Leute zwingt, sich zu deklarieren, wenn sie eine Meinung äußern? Es gibt ja auch das Recht auf anonyme Äußerungen.

Juncker: Wenn man Meinungsäußerungen macht, ist das auch anonym absolut zulässig. Wenn man persönlich attackiert, muss man das mit Namen machen.

STANDARD: Zurück zum EU-Wahlkampf. Die Europäer sind zum großen Teil mit sich selbst beschäftigt, während sich ein großer Handelskrieg zwischen den USA und China aufbaut, im Iran ein Krieg, ein "war by accident" droht. Ist das nicht verwunderlich?

Juncker: Doch. Kriege entstehen immer aufgrund von Misstrauen und Fehleinschätzungen. Alle Kriege sind eigentlich entstanden, weil die Protagonisten anderen unterstellt haben, dass sie Böses im Schilde führen. Auf Iran bezogen, könnte es durchaus sein, dass irgendwann und irgendwo sich ein Konflikt entzündet, der zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt, ohne dass man das so gemünzt hat. Es gibt ein Buch der US-Historikerin Barbara Tuchman mit dem Titel "Die Torheit der Regierenden".

STANDARD: Ein Buch über Kriege und ihre Auslöser seit dem Trojanischen Krieg.

Juncker: Ja, so geht es immer wieder. Es ist den handelnden Personen überlassen, das zu vermeiden. Regierende begehen immer wieder dieselben Fehler. Konfliktentzündung beruht immer auf Fehleinschätzung des Denkens, des Verhaltens der anderen.

Mich besorgt dieser Handelskrieg und der Iran. Es gibt Dinge, die sehr schnell zu Auswirkungen führen. Auf China, Europa und die USA bezogen, es ist wahr, dass die Konjunktur unter dem dauernden Unvermögen leidet, die Dinge zu regeln. Wir haben erkennbar wirtschaftliche Probleme, die Konjunktur schwächt sich ab, das hat mit dieser Unsicherheit zu tun, die die Politik in das internationale Gefüge hineinbringt. Deshalb ist es dringend geboten, dass die Chinesen und die Amerikaner sich auf Lösungen zubewegen, anstatt sich ständig zu zerstreiten.

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STANDARD: Sind die Europäer nur Zuschauer? Auch der Brexit ist nach wie vor nicht gelöst. Wie kommt man aus dieser Nummer heraus?

Juncker: Indem man der Wahrheit und den Tatsachen wieder den Raum zuweist, der ihnen eigentlich zusteht. Wieso ist der Brexit passiert? Ich lese immer wieder, die Kommission und die Union seien schuld an dieser Misere. Richtig ist: Wenn man über 40 Jahre den Briten dauernd erklärt, man sei in der EU, aber nur aus wirtschaftlichen Gründen, und der Rest interessiere einen nicht, die wertebasierte Union, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Leute so abstimmen, wie sie im Königreich abgestimmt haben.

Ich halte es dennoch für einen kaum nachvollziehbaren Fehler meinerseits, dass ich mich aufgrund britischer Wünsche nicht in diese Kampagne zum Brexit eingemischt habe. Es wurden so viele Lügen erzählt, so viele der Folgen, die sich aus einem Nein ergeben, wurden falsch dargestellt, da hätten wir als Kommission uns eigentlich zu Wort melden müssen. Unwidersprochen die Behauptung zur Kenntnis zu nehmen, die Briten würden 300 Millionen Pfund pro Woche nach Brüssel überweisen, ohne von irgendetwas profitieren zu können, das halte ich in der Nachbetrachtung für einen Fehler.

STANDARD: Wie geht es denn weiter mit der nächsten Kommission nach der Wahl, wenn der Brexit nicht gelöst ist.

Juncker: Meine Arbeitshypothese ist, dass die Brexit-Frage, die Abwicklung des Brexit-Verfahrens bis zum Datum meines Ausscheidens aus dem Amt am 1. November gelöst sein wird. Ich bin gegen den harten Schnitt. Wir wissen sehr genau, was das bedeutet, in allen Details. Die Briten waren sich überhaupt nicht klar darüber, was ein Nein bedeutet.

STANDARD: Sind Sie optimistisch?

Juncker: Wir sind gut vorbereitet. Ich denke mir, die Vernunft der Regierenden müsste zur Folge haben, dass man die Abwicklung schnellstens bewältigt.

STANDARD: Wie verhält sich das zur EU-Wahl, zur neuen Kommission?

Juncker: Ich sehe dieser Wahl heiter und gelassen, aber tiefbesorgt entgegen, weil ich doch an den Rändern des politischen Spektrums Bemühungen sehe, das Europaprojekt als solches infrage zu stellen. Was mit der nächsten Kommission passiert, wird abhängig sein von der Art und Weise, wie das nächste Europäische Parlament zusammengesetzt sein wird.

STANDARD: Was meinen Sie konkret?

Juncker: Die extreme Rechte ist die größte Gefahr angesichts der Gemengelage. Wenn die Kräfte von extrem rechts und von extrem links einen zu starken Einfluss im Europäischen Parlament haben, dann werden alle Debatten vielleicht nicht ganz dominiert, aber doch stark beeinflusst werden.

STANDARD: Weil sie über viel Redezeit, große Mittel verfügen würden?

Juncker: Ja. Ich bereite gerade meine Memoiren vor und habe dieser Tage daran gedacht, was Frau Le Pen gesagt hat, als ich mich am 15. Juli 2014 mit meinem Programm vor dem Plenum des Parlaments präsentierte. Sie sagte: "Wir werden gegen Sie stimmen." Und ich habe mich dafür bedankt und geantwortet: "Ich möchte Ihre Stimmen auch nicht." Eine nächste Kommission, die auf die Stimmen von extrem rechts und auch links angewiesen wäre, wäre handlungsunfähig. Sie müsste immer wieder Rücksicht nehmen auf die Parolen am Anfang. Man darf die Gefahr von rechts nicht unterschätzen.

STANDARD: Ist das ein realistisches Szenario?

Juncker: Meine Sorge ist, dass, wenn die gestandenen europäischen Volksparteien, Christdemokraten, Sozialisten, Liberale, Grüne, die klassischen europäischen Parteien rhetorische Kompromisse mit den Rechtsextremen machen, sich dann das Bild Europas verdunkeln wird. Wobei ich das bei den Grünen nicht sehe.

STANDARD: Ist für Sie denkbar, dass Ihre Europäische Volkspartei mit den Rechten im Europäischen Parlament einen Deal macht, um Manfred Weber als Kommissionspräsidenten durchzubringen?

Juncker: Wenn dies passierte, würde ich zwar die Mitgliedschaft in meiner Partei, der Christlich-Sozialen Union in Luxemburg, nicht kündigen. Aber ich würde meine Partei auffordern, die EVP zu verlassen. Es kann und darf keinen Kompromiss mit den Extremisten von rechts geben.

STANDARD: Ich wollte das auch gar nicht unterstellen. Weber hat das selber klar ausgeschlossen, so wie Sie 2014.

Juncker: Ich rede ja oft mit ihm. Er ist sehr glaubhaft in dieser Frage.

STANDARD: Es scheint so zu sein, dass es zum ersten Mal in der Geschichte des Parlaments keine Mehrheit von EVP und Sozialdemokraten gibt, die beiden also eine dritte Fraktion als Partner brauchen, um den Kommissionspräsidenten zu wählen.

Juncker: Ich brauchte auch drei Fraktionen. Diesmal braucht man vielleicht vier.

STANDARD: Beim EU-Gipfel von Sibiu hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron da den Hebel angesetzt. Er macht mit den Liberalen eine neue eigene Fraktion, um ein Powerplay um den nächsten Präsidenten zu beginnen. Er hat sich ganz strikt gegen das Modell der Spitzenkandidaten ausgesprochen.

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Beim Brexit habe er auch einen Fehler gemacht, sagt EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker.
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Juncker: Ich sehe die Bemühungen von einigen, die EVP von den Hebeln der Macht zu entfernen. Das ist in einigen Staaten passiert, 2013 auch in Luxemburg. Aber ich habe bei Amtsantritt in der Europäischen Union auch dafür gesorgt, dass es eine große Koalition zwischen Sozial- und Christdemokraten gibt. Das haben einige bei den Sozialisten nicht gemocht, aber auch in meiner Parteienfamilie. Aber die Lage ist jetzt eine andere.

STANDARD: Ihr Gegner als Spitzenkandidat bei den EU-Wahlen 2014 war der Deutsche Martin Schulz.

Juncker: Wir haben miteinander gegeneinander Wahlkampf geführt, im Wissen darum, dass es diese beiden Kräfte der Volksparteien braucht, um die europäischen Angelegenheiten in Bewegung zu bringen. Das haben wir auch zu großen Teilen geschafft.

STANDARD: Steht das heute infrage?

Juncker: Es gibt auf der sozialistischen Seite die Überlegung, ohne die EVP zu führen. Das ist kein vermessenes Unterfangen. Aber was man vor der Wahl sagt, wird auch nach der Wahl geschehen. Es gibt den erkennbaren Versuch von vor allem sozialistischen und liberalen Kräften, ohne die EVP in die Zukunft zu führen. Das ist zulässig, aber dann muss es auch etwas deutlicher gesagt werden, als es derzeit der Fall ist. Die EVP muss sich fragen, ob es richtig war, die große Koalition mit den Sozialdemokraten quasi aufzukündigen. Das hielt ich in der Vergangenheit auch für einen Fehler. Wenn sich diese beiden Blöcke im positiven Sinn in den wichtigen Angelegenheiten in Europa die Hand geben, dann ist die Zukunft gesichert. Wenn aber Christ- und Sozialdemokraten sich jetzt von ihren Gemeinsamkeiten, von ihren Schnittmengen, die es gibt, entfernen und sich in die Hände von jenen begeben, die etwas anderes wollen als das, was die Fundamente der Europäischen Union ausmacht, dann wird das gefährlich.

STANDARD: Wäre das der Fall, wenn die Sozialdemokraten versuchen würden, Frans Timmermans mit den Stimmen der radikalen Linken zum Kommissionspräsidenten zu machen?

Juncker: Ich habe kein grundsätzliches Problem mit den Linksparteien, sofern sie demokratisch agieren. 2014 waren es David Cameron und Viktor Orbán, die gegen mich als Kommissionspräsidenten gestimmt haben.

STANDARD: Nun würde auch Macrons bunte Truppe gemäß den Prognosen keine Mehrheit im Parlament haben, mit rund 340 Stimmen gemeinsam knapp ehrankommen an die 376 Stimmen der einfachen Mehrheit. Also scheint es auf die dritte Lösung hinauszulaufen: Macron versucht die Spitzenkandidaten kaputtzumachen, um einen Kommissionspräsidenten seiner Wahl zu installieren. Wie sehen Sie das?

Juncker: Ich war am Freitag nach dem EU-Gipfel in Sibiu in Paris und habe mit Macron gespeist. Dass die Macron-Gruppe, wie immer sie dann auch zusammengesetzt sein wird, mehr als nur eine marginale Rolle spielen und mitbestimmen wird, scheint mir klar. Aber wo er sich hinbewegt, scheint mir nicht klar. Er ist gegen das Prinzip der Spitzenkandidaten.

STANDARD: Was daran liegen dürfte, dass seine Bewegung "En marche" keine europäische Parteienfamilie hat.

Juncker: Andere haben auch keinen Spitzenkandidaten, die Liberalen zum Beispiel, obwohl Fraktionschef Guy Verhofstadt eigentlich der Antreiber war dieses Systems. Wann immer ich gesagt habe im Parlament, dass wir diesen kleinen Fortschritt der Demokratie bewahren müssen, war er der Erste, der applaudierte. Diesmal waren die Liberalen die Ersten, die auf einen Spitzenkandidaten verzichteten, weil sie sich nicht einigen konnten.

STANDARD: Das klingt danach, dass es vor allem darum geht, die EU-Spitzenjobs zu erringen, egal wie.

Juncker: Die EVP hat 2014 den Fehler gemacht, die Präsidenten von Parlament, Europäischem Rat und Kommission besetzen zu wollen, obwohl der Abstand zu den Sozialdemokraten marginal war. Deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, Martin Schulz ein zweites Mandat als Parlamentspräsident einzuräumen. Das ist zum ersten Mal geschehen. Es kann nicht sein, dass die EVP alles für sich beansprucht.

STANDARD: In Wien würde man sagen: Man muss den anderen leben lassen.

Juncker: Ja, das ist so in der Politik. Und das wird auch diesmal so sein. Man muss diese Spitzenjobs gerecht verteilen, zwischen Ost und West, zwischen links und rechts. Distributive Gerechtigkeit heißt das in der katholischen Soziallehre.

STANDARD: Kann es sein, dass Macron darauf abzielt, einen der beiden Premierminister von Belgien und den Niederlanden, zwei Liberale, als Kommissionspräsidenten zu installieren mit dem Argument, dass man Regierungschef gewesen sein sollte, um die Kommission zu führen? Die beiden sind in der künftigen Fraktion von Liberalen und Macron.

Juncker: Ich glaube nicht, dass Rutte erkennen hat lassen, dass er das ernsthaft in Erwägung zieht. Er hat in der Zweiten Kammer im niederländischen Parlament eine Mehrheit von einer Stimme. Wenn er weggeht, könnte die Koalition auseinanderbrechen. Dieses Risiko wird er nicht eingehen wollen. Andere kommen infrage. Mein Vorteil 2014 war, dass ich nicht als der lupenreine Christdemokrat erschien. Meine Vita war anders. Ich konnte und kann mit Sozialdemokraten immer sehr gut, auch mit den Liberalen, mit den Grünen auch. Wenn die EVP den Versuch starten würde, durchzumarschieren mit einem Kandidaten, der nicht auf das Wohlwollen der anderen trifft, dann würde er ein schwieriges Mandat haben. Ich habe den Spagat geschafft, ohne mich zu verrenken.

STANDARD: Es wird zwei Tage nach den Europawahlen einen EU-Gipfel in Brüssel geben, bei dem die Regierungschefs über das große Personalpaket für EU-Topjobs reden wollen. Was ist davon zu erwarten?

Juncker: Ich weiß nicht, was passieren wird. Es gab das auch 2014, und man konnte sich nicht einigen, weil Ungarn, Großbritannien nicht einverstanden waren und weil einige der Regierungschefs diesen Einfluss des Europäischen Parlaments abwehren wollten. Das Parlament hat erklärt, Juncker hat gewonnen, der Spitzenkandidat muss Kommissionspräsident werden. Ob es diesmal so sein wird, weiß ich nicht. Aber ich hoffe es.

STANDARD: Was erwarten beziehungsweise wollen Sie?

Juncker: Ich hätte gerne, dass der Spitzenkandidat der EVP, Manfred Weber, Kommissionspräsident wird. Er kann das auch. Aber die Gemengelage ist diesmal noch etwas vielschichtiger als beim letzten Mal. Auch damals war es schon sehr kompliziert, es wird diesmal noch komplizierter werden.

STANDARD: Das heißt, im Sinne des Ausgleichs sollte Ihrer Meinung nach ein Ausgleich zwischen EVP, S&D und den Liberalen geschehen bei den drei Präsidentenposten?

Juncker: Ich finde, dass man gerecht verteilen muss, das Wahlergebnis im Blick habend. Was mich ein wenig besorgt, ist, dass einige Regierungschefs, auch meiner in Luxemburg, nun sagen, die Parteien dürften das nicht bestimmen. Wer bestimmt denn dann? Erst einmal bestimmen die Wähler. Die bestimmen, wer stärkste Partei ist, und das ist ein klares Signal. Wenn man es nur den Regierungschefs überlässt, dann kehrten wir wieder in die Dunkelkammer des Europäischen Rates zurück. Ich fände es klüger, wenn man sich auf das Prinzip des Spitzenkandidatensystems einigt und den Zugriff auf den nächsten Kommissionspräsidenten demjenigen einräumt, der Spitzenkandidat der stärksten Partei war. Wenn man das in dunklen Räumen im Rat macht, wäre das ein Rückschritt.

STANDARD: Ist es denkbar, dass man die Wahl des Kommissionspräsidenten verzögert, erst nach dem Brexit bestimmt?

Juncker: Ich kann über das parlamentarische Verhalten keine Aussagen machen. Man muss sehen, was passiert. Ich glaube, dass Weber den ersten Zugriff hat, wenn er die Wahl gewinnt. Und er wird das schaffen, obwohl es im Kreise der Regierungschefs eher eine Mehrheit gegen das System der Spitzenkandidaten gibt.

STANDARD: Was werden die wichtigsten Dinge sein, die die neue EU-Kommission angehen, in die Hand nehmen muss?

Juncker: Es darf keinerlei Abstriche geben, wenn es um die europäischen Werte geht. Daher müssen wir die Probleme, die wir mit Ungarn, mit den Polen, mit den Rumänen haben, das müssen wir durchstehen. Durch dieses Wasser müssen wir gehen.

STANDARD: Und auf wirtschaftlichem Gebiet?

Juncker: Ich wünschte mir auch, dass das Thema der sozialen Dimension in Europa an Schwung gewinnt. Wir haben einiges in Bewegung gebracht, worauf ich stolz bin, etwa die Entsenderichtlinie mit dem Prinzip des gleichen Lohns an der gleichen Arbeitsstelle. Dieser Sockel der europäischen Arbeitnehmerrechte, das darf nicht nur Lyrik bleiben, daran müssen wir uns abarbeiten. Dazu gehört auch der Mindestlohn. Es geht nicht darum, dass es einen einheitlichen Mindestlohn in allen Ländern gibt. Aber das Prinzip, dass jemand von der Entlohnung seiner Arbeit leben können muss, das muss gelten.

STANDARD: Wie kann die Union entscheidungsfähiger werden?

Juncker: Wir müssen in Bereichen der europäischen Zukunftspolitik Abstand nehmen vom Prinzip der Einstimmigkeit. Wir brauchen in außenpolitischen Fragen die qualifizierte Mehrheit, wenn auch nicht in allen Fragen, wir brauchen das bei der Steuerpolitik. Es gibt dazu eine Brückenklausel im EU-Vertrag von Lissabon, die man nützen kann – wie die Kommission vorgeschlagen hat. Darin liegt die schlafende Schönheit der Europäischen Union. Die muss man zur Blüte bringen.

STANDARD: Man hat oft gesagt, die EU sei vor allem eine Wirtschaftsgemeinschaft, und in den Anfängen betont, es sei vor allem eine Friedensgemeinschaft. Haben wir in den vergangenen Jahren gelernt, dass sie in erster Linie eine Wertegemeinschaft sein muss, eine des Rechts und der Grundrechte?

Juncker: Das Wertefundament der Union, das wurde in den letzten zwanzig Jahren etwas unterbelichtet. Darauf muss man immer wieder zurückkommen. Frieden ohne Freiheit, das geht nicht. Freiheit gibt es nicht ohne Demokratie. Und Demokratie gibt es nicht ohne die Unabhängigkeit der Justiz, das geht überhaupt nicht. Auf diese Werte muss man in Zukunft den allergrößten Wert legen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 15.5.2019)

Thomas Mayer traf Jean-Claude Juncker in seinem Büro in Brüssel.
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