Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz

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Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz (Im Vordergrund die Oberseite des Denkmals samt der Inschrift, im Hinterrgund zu sehen die Erläuterungstafel), 1., Ballhausplatz
Daten zur Erinnerung
Art des Erinnerns Denkmal
Status existiert
Gewidmet
Datum von 2014
Datum bis
Stifter Stadt Wien
Art des Stifters Stadt Wien
Architekt Olaf Nicolai
Standort Straßenraum
Ortsbezug Machtort
Bezirk 1
Historischer Bezug Nationalsozialismus
Thema der Erinnerung Etablierung, Haft, Tod, Widerstand
Gruppe GegnerInnen, Alliierte und widerständige Soldaten
Geschlechtsspezifik Beide
PageID 44840
GND
WikidataID
Objektbezug Hofburg
Quelle POREM
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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, 1010 Ballhausplatz.jpg
Bildunterschrift Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz (Im Vordergrund die Oberseite des Denkmals samt der Inschrift, im Hinterrgund zu sehen die Erläuterungstafel), 1., Ballhausplatz
  • 1., Ballhausplatz

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48° 12' 29.04" N, 16° 21' 48.03" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien am Ballhausplatz, auch "Deserteursdenkmal" genannt, wurde am 24. Oktober 2014 der Öffentlichkeit präsentiert. Es erinnert an Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärgerichtsbarkeit.

Hintergrund

Im Zweiten Weltkrieg wurden durch die nationalsozialistische Militärjustiz mehr als 30.000 Todesurteile gegen Soldaten und Kriegsgefangene, aber auch gegen Zivilistinnen und Zivilisten in den von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas verhängt. Viele der Todesurteile richteten sich gegen Deserteure und "Wehrkraftzersetzer", tausende weitere Soldaten starben nach Verurteilung in sogenannten Bewährungseinheiten an der Front.

Die Gründe für das Handeln der Verfolgten waren vielfältig. Sie reichten von politischen Motiven bis hin zu sehr privaten. Nach Kriegsende wurden die Überlebenden dieser Verfolgung in Österreich diskriminiert. Erst ab der Jahrtausendwende setzte sich die Erkenntnis durch, dass sich die nationalsozialistische Militärjustiz bedingungslos in den Dienst einer verbrecherischen Kriegsführung gestellt hatte. Im Jahr 2009 rehabilitierte der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen die Opfer der Verfolgung durch die Wehrmachtsgerichte.

Der historische Hintergrund und das Konzept des Denkmals werden auf zwei Informationstafeln in deutscher und englischer Sprache erläutert, die auf der Homepage zum Denkmal eingesehen werden können. Dort findet sich auch umfangreiches Vermittlungsmaterial. Siehe auch Informationstafel Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz.

Künstler

Das Denkmal wurde vom deutschen Künstler Olaf Nicolai (* 1962 in Halle/Saale) als Betonskulptur in Form eines liegenden X entworfen. Auf der obersten von drei Stufen ist die Inschrift "all alone" durch verzinkte Stahlbuchstaben in den Beton eingelassen. Olaf Nicolai erklärte dazu: "Dieses Denkmal erweist denjenigen Respekt, die eine eigene Entscheidung treffen, sich der Fremdbestimmung widersetzen und sich durch ihr eigenständiges Handeln gegen das geltende System stellen. Die Bedeutung der persönlichen Entscheidung, dissident zu sein, dieses aktive Moment, darin liegt für mich die Aktualität. Aus dieser Perspektive habe ich das überdimensionale, liegende X mit einer Inschrift auf der obersten Ebene konzipiert. Was geschieht mit demjenigen, der auf den dreistufigen Sockel steigt, um die Inschrift zu lesen? 'all / alone' ist ein Text im Stil der experimentellen Konkreten Poesie – die nicht nur für eine kritische und engagierte Haltung einsteht, sondern besonders mit der Stadt Wien verbunden ist. Die Inschrift zeigt – im wahrsten Sinn des Wortes – die angedeutete Spannung zwischen Einzelnem und Gemeinschaft. Es geht um die Beziehung zu sich selbst, das 'alone', die Bereitschaft, allein für etwas einzustehen. Den Text in englischer Sprache, der über den nationalen Rahmen hinausweist und für alle verständlich ist, liest man nun an einem Ort, an dem man von Institutionen des Staates umgeben ist. Die Frage nach der eigenen Position ist somit als eine sich immer wieder stellende unmittelbar und konkret erfahrbar."[1]

Vorbereitung und Wettbewerb

Die Errichtung des Denkmals geht auf eine langjährige Forderung des "Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" zurück. Nach der gesetzlichen Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure und anderer Verfolgter der NS-Justiz im Jahr 2009 schrieben die Wiener SPÖ und die Wiener Grünen im Dezember 2010 die Errichtung eines Denkmals für die Wehrmachtsdeserteure in ihrem Koalitionsabkommen fest. Im November 2011 wurde ein Gremium zur Umsetzung des Denkmals gebildet, an dem neben Vertretern der Stadtregierung auch das Personenkomitee beteiligt war. In der Folge tagten verschiedene Arbeitsgruppen zur Festlegung der inhaltlichen Ausrichtung, des Standortes und der Vermittlung. Am 12. Oktober 2012 verkündeten Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und der Klubchef der Grünen David Ellensohn, dass das "Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz" am Ballhausplatz errichtet werde. Dagegen protestierten der Österreichische Kameradschaftsbund und die FPÖ. Im Rahmen eines von KÖR - Kunst im öffentlichen Raum durchgeführten Wettbewerbs wählte im Juni 2013 eine Jury, in der auch das Personenkomitee vertreten war, den Entwurf von Olaf Nicolai zur Realisierung aus.

Eröffnung

Bei der Eröffnung des Denkmals sprachen Bundespräsident Heinz Fischer, Bürgermeister Michael Häupl, Kulturminister Josef Ostermayer, der Zeitzeuge und Deserteur Richard Wadani als Sprecher des "Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz", der Politikwissenschafter Walter Manoschek, der Klubobmann der Grünen Wien David Ellensohn sowie die Geschäftsführerin von KÖR Martina Taig. Die Hauptrede hielt die Schriftstellerin Kathrin Röggla.
Die Musik zur Veranstaltung stammte aus dem Zyklus Spiegel I-VIII des Komponisten Friedrich Cerha, der als Zeitzeuge und Wehrmachtsdeserteur an der Eröffnung teilnahm. Sie wurde in einer Einspielung des ORF Symphonia Orchester Wien vom Band wiedergegeben. Der Chor Gegenstimmen trug "Sag Nein! 2014" vor, einen Auszug aus der Ode an den Deserteur von Frederic Rzewski (Text: Kurt Tucholsky / Wolfgang Borchert). Der Tänzer Mikael Marklung zeigte an der Skulptur eine Choregrafie, die er mit Laurent Chétouan erarbeitet hatte.

Literatur

  • Kunst im öffentlichen Raum GmbH [Hg.]: Kunst im öffentlichen Raum Wien 4. 2014, 2015, 2016. Wien: Verlag für moderne Kunst 2017, S. 202-207.
  • Juliane Alton / Thomas Geldmacher / Magnus Koch / Hannes Metzler [Hg.]: "Verliehen für die Flucht vor den Fahnen..." Das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz in Wien. Göttingen: Wallstein Verlag 2016
  • Peter Pirker / Johannes Kramer: From Traitors to Role Models? Rehabilitation and Memorialization of Wehrmacht Deserters in Austria. In: Eleonora Narvselius / Gelinada Grinchenko [Hg.]: Formulas for Betrayal: Traitors, Collaborators and Deserters in Contemporary European Politics of Memory. Basingstoke: Palgrave Macmillan 2017, S. 59-85

Weblinks

Einzelnachweise