Mann packt eine Box mit AstraZeneca-Impfdosen aus
Reuters/Yves Herman
EMA-Bewertung

Entscheidender Tag für AstraZeneca-Vakzin

Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) veröffentlicht am Donnerstag die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu seltenen Blutgerinnseln (Thrombosen) nach Impfungen mit dem Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca. Bisher schätzt die Behörde ebenso wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Vorteile des Vakzins höher ein als die Risiken. Zuletzt hatten viele europäische Länder die Impfung damit ausgesetzt, nicht so Österreich.

AstraZeneca spielt eine wichtige Rolle für die Impfstrategie in der EU. Der britisch-schwedische Hersteller hat zwar Lieferschwierigkeiten, dennoch sind 70 Millionen Dosen für das zweite Quartal avisiert. Weil das Vakzin nicht stark gekühlt werden muss, kann es auch gut von Hausärzten und Hausärztinnen gespritzt werden. Auch außerhalb der EU ist AstraZeneca der derzeit wichtigste Impfstoff.

Nach Fällen von Thrombosen nach der Impfung mit dem Vakzin hat die EMA Untersuchungen aufgenommen. Dabei geht es um 30 Fälle bei insgesamt fünf Millionen geimpften Menschen in der EU. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) wurde in Deutschland bei inzwischen acht Personen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren eine spezielle Form von schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen festgestellt. Betroffen sind vor allem Frauen, laut PEI gibt es drei Todesfälle.

Österreich ging anderen Weg

Deutschland und über ein Dutzend andere EU-Länder hatten die Nutzung des Impfstoffs daraufhin am Dienstag gestoppt. Österreich schlug einen anderen Weg ein: „Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis besteht unverändert“, ließ das Nationale Impfgremium (NIG) nach neuerlichen Beratungen am Dienstagabend wissen – was Zuspruch von Fachleuten fand.

Impfstoffforscher Krammer zu AstraZeneca-Impfungen

Das Aussetzen von Coronavirus-Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff in weiten Teilen Europas sorgt für Kritik. In der ZIB2 war Florian Krammer, Impfstoffforscher am Mount-Sinai-Spital in New York, dazu im Interview.

Der in New York tätige österreichische Virologe Krammer erklärte am Dienstag in der ZIB2, ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und dem Auftreten der Hirnvenenthrombosen müsse untersucht und transparent gemacht werden. Es sei aber möglich, „weiter zu impfen, gleichzeitig vorsichtig zu sein und zu untersuchen“. „Der österreichische Weg ist da ganz gut“, sagte Krammer, aufhören zu impfen berge ebenfalls ein gewisses Risiko – nämlich für die Leute, „die nicht geimpft werden“. Momentan gibt es laut dem Virologen keine Daten, die auf einen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Blutgerinnsel hinweisen.

WHO: „Vorteile überwiegen Risiken“

Die WHO meldete sich am Mittwoch mit einer klaren Empfehlung für AstraZeneca zu Wort: „Die WHO ist der Meinung, dass die Vorteile die Risiken überwiegen.“ Die Organisation betonte, dass eine Impfung gegen Covid-19 keine Krankheiten oder Todesfälle durch andere Ursachen reduziere. Thrombosen passierten häufig. „Venöse Thromboembolien gehören zu den häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit“, so die WHO.

Es sei Routine, mögliche Zwischenfälle bei Impfkampagnen zu registrieren und zu untersuchen. Das zeige, dass die Überwachungssysteme funktionierten. Zwischenfälle in zeitlicher Nähe zu einer Impfung bedeuteten aber nicht zwangsläufig, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen beidem bestehe.

Die EMA hatte bereits am Dienstag mitgeteilt, dass es bisher keine Hinweise darauf gebe, dass der CoV-Impfstoff von AstraZeneca Blutgerinnsel verursacht. Die Zahl der aufgetretenen Fälle sei nicht höher als in der Gesamtbevölkerung. Man sei vom Nutzen des Vakzins nach wie vor „zutiefst überzeugt“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke.

Hauptquartier der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Amsterdam
APA/AFP/ANP/Remko De Waal
Viele Blicke sind am Donnerstag auf die in Amsterdam ansässige EMA gerichtet

Daten nur spärlich vorhanden

Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wird nun für Donnerstagnachmittag erwartet. Bis dahin würden die Zwischenfälle, die Mitgliedsstaaten gemeldet hatten, genau überprüft und evaluiert. „Wir brauchen erst Fakten, bevor wir zu einer Entscheidung kommen“, sagte Cooke. Aktuell gebe es allerdings keinen Hinweis auf einen Zusammenhang der Blutgerinnsel mit dem Impfstoff.

Die Fachleute prüfen anhand von statistischen Wahrscheinlichkeiten, ob die Impfung als Ursache für die Blutgerinnsel infrage kommt. Dabei wird untersucht, ob die Häufigkeit im Vergleich zu normalen Raten höher ausfällt. Peter Arlett, Leiter der Abteilung für Arzneimittelsicherheit und Epidemiologie der EMA, erklärte, dass die Behörde aufgrund der Seltenheit dieser Thrombosen stärker auf Einzelfallanalysen angewiesen sei als auf die spärlichen statistischen Daten.

AstraZeneca und die europäischen Behörden hatten zuletzt erklärt, dass es während der Entwicklung des Impfstoffes und der dazu erforderlichen Studien keine Bedenken hinsichtlich Blutgerinnungsstörungen gegeben habe.

Gremium: Keine Blutverdünner wegen Impfung

Auch das NIG in Österreich harrt nun der Entscheidung der EMA. Zwar wurden die Impfungen nicht ausgesetzt, allerdings raten Expertinnen und Experten davon ab, gerinnungshemmende Medikamente „wegen einer Covid-19-Impfung“ einzusetzen.

Gemeint sei damit die präventive Gabe von gerinnungshemmenden Mitteln parallel zur Impfung, stellte dazu das Gesundheitsministerium auf Nachfrage von ORF.at klar. Wer aus anderen Gründen Blutverdünner nehme, könne ganz normal zur Impfung gehen. Dort werde das im Anamneseblatt ohnehin erhoben und entsprechend entschieden. Das sei bei der Impfung mit AstraZeneca nicht anders als bei den Impfstoffen der anderen Hersteller, so das Ministerium.